Report Datenbank php 7.x aufrufen

Meeresgeophysik - Verfahren und Ergebnisse

Marine geophysics - methods and results
ERDOEL ERDGAS, Zeitschrift OFFSHORE-TECHNIK, URBAN-VERLAG Hamburg/Wien GmbH,
Sonderdruck aus Heft 2, 1975, Seite 48-54.

Summary

The increasing demand for oil and gas resulted already since years in the extension of exploration activity from the continents to marine areas. The extensive research of deep water areas of special interest and of zones of the continental slope is years ahead to the real exploration. Today the marine applied geophysics does the first steps beyond the border of the shelf. The new EXPLORA - commissioned only in 1973 - stands for an example of an integrated system for applied marine geophysics. Man, ship, geophysical and navigational equipment are considered and explained as one unit. Critically examined survey results of marine seismic, gravimetry, magnetometry and bathymetry show, that the combined interpretation of these results can give important knowledge to the petroleum geologist concerning the structure of the exploration area.

Zusammenfassung

Der steigende Bedarf an Erdöl und Erdgas hat schon seit Jahren dazu geführt, die Explorationstätigkeit vom Festland auf die Meeresgebiete auszudehnen. Die großräumige Erforschung von Schwerpunktsbereichen der Tiefsee und von Zonen des Kontinentalabhanges ist der eigentlichen Suchtätigkeit noch um Jahre voraus. Die angewandte marine Geophysik wagt heute die ersten Schritte über den Rand der Schelfgebiete hinaus.
Am Beispiel der neuen - erst 1973 in Dienst gestellten - »EXPLORA«, wird ein integriertes Gesamtsystem für angewandte Seegeophysik vorgestellt. Mensch, Schiff, geophysikalische und navigatorische Ausrüstung werden als Einheit betrachtet und erläutert.
Anhand von kritisch beleuchteten Meßergebnissen der marinen Seismik, Gravimetrie, Magnetometrie und Bathymetrie wird gezeigt, daß die gemeinsame Interpretation dieser Ergebnisse dem Erdölgeologen wichtige Erkenntnisse über den Aufbau des Untersuchungsgebietes liefern kann.

Die Exploration unterseeischer Lagerstätten

Nicht erst seit Beginn der Energiekrise im letzten Quartal des vergangenen Jahres haben die westeuropäischen und überhaupt die westlichen Länder die Exploration auf Kohlenwasserstoffe vom kontinentalen Festland auf die Schelfgebiete ausgedehnt. Der steigende Bedarf an Erdöl und Erdgas und der Wunsch nach Unabhängigkeit von Importen zwang schon lange dazu, für die begrenzten oder erschöpften Land-Vorkommen einen Ausweg zu finden. Zur Zeit werden bereits über 20 Prozent des Erdöl- und Erdgaskonsums aus den Meeresgebieten gedeckt. Dieser Anteil sollte sich in diesem Jahrzehnt noch steigern lassen, woran man kaum zweifelt, wenn man die weltweite Zunahme der geophysikalischen und geologischen Explorationstätigkeit betrachtet. Da diese wissenschaftliche Voruntersuchung der eigentlichen Suchtätigkeit um Jahre voraus sein muß, verwundert es keinen, daß heute schon Zonen des Kontinentalabhanges, zunächst bis in eine Tiefe von ca. 2000 m für geophysikalische Studien in Angriff genommen werden. Was die großräumige - wenn auch auf Schwerpunktsbereiche beschränkte - Erforschung der noch tieferen Meeresräume betrifft, so möchte ich an dieser Stelle auf die vielseitigen geophysikalischen Arbeiten verweisen, die von einer großen Zahl von Forschungsschiff en vieler Nationen schon seit Jahren und auch heute überall in der Welt durchgeführt werden. Stellvertretend für alle andern seien hier erwähnt die »Meteor« und die »Valdivia«. Während bei den wissenschaftlichen Programmen der »Meteor« das Hauptaugenmerk der geophysikalischen Forschung auf den Bereich der Atmosphäre mit den zahlreichen Einzelproblemen der Meteorologie, der lonosphärenphysik, Ultrastrahlung, Radioaktivität und natürlich auch auf alle möglichen ozeanographischen Belange gerichtet ist, wobei die Erforschung des tieferen Meeresuntergrunds zwangsläufig etwas zurückstehen muß, befassen sich die Arbeiten der »Valdivia« in erster Linie mit dem Meeresboden selbst, speziell mit den vielseitigen Aufgaben der Erkundung und Untersuchung von Erzschlämmen, Manganknollen und Seifen. Ich möchte an dieser Stelle auch das Ihnen bekannte Bohrschiff, die »Glomar Challenger« erwähnen, nicht nur weil mit diesem Schiff vielseitige, in erster Linie geologische Fragen des Mittelmeerraums geklärt werden konnten, über die Sie heute schon viel Interessantes gehört haben und bestimmt noch hören werden, sondern auch weil auf allen Fahrten der »Glomar Challenger« geophysikalische Messungen - in erster Linie Seismik und Magnetometrie - durchgeführt werden. Daß es bei den bislang erwähnten Forschungsarbeiten um eine sehr vielschichtige Fragestellung geht, die nur indirekt mit dem Auffinden von Kohlenwasserstoffvorkommen befaßt ist, liegt auf der Hand. Alle Projekte mit diesem Ziel, die über den Schelfrand bis zu Wassertiefen von 2000 m und mehr hinaus gehen, liegen heute noch jenseits der geltenden technischen und wirtschaftlichen Grenzen. Wenn man jedoch die Entwicklung auf dem Gebiet der Erdölexploration der letzten 20 Jahre rückschauend betrachtet, dann mag es nicht unmöglich anmuten, daß schon in absehbarer Zukunft auch diese Schranken überschritten werden. Damit knüpfe ich an den Schlußgedanken des Vortrags von Herrn Prof. Küpper 1) an.
Ich möchte mich aber in meinem heutigen Vortrag auf die angewandte marine Geophysik beschränken. Und wenn ich als Vertreter einer Gesellschaft für praktische Lagerstättenforschung hier spreche, so werden Sie mir nicht verübeln, daß ich Ihnen primär über die angewandte Seegeophysik, und zwar am Beispiel eines neuen Forschungsschiffes vortragen werde.

1) KÜPPER, H.: Der Boden des Mittelmeeres; Erdoel-Erdgas-Zeitschrift 1975/1 S. 43-47.

INDAS, Integriertes Navigationssystem mit Datenerfassung und Automatischer Schiffssteuerung
Abb. 1 Explora 1973

Die Verfahren der angewandten marinen Geophysik

Der schon Ende der sechziger Jahre erkennbare Trend, die Schelfgebiete in großem Stil systematisch zu erkunden, und die Erkundungen sogar über den Schelfrand hinaus auszudehnen, wobei für die Zukunft sogar die Erfordernisse für eine in die Tiefsee reichende Exploration zu berücksichtigen waren, ließ die Notwendigkeit erkennen, von der bisherigen Lösung, nämlich der Herrichtung von fahrbaren Arbeitsplattformen für den Einzelfall abzugehen und mit dem Bau eines eigens für seegeophysikalische Messungen konzipierten Schiffes auch für die kommende Dekade allen Anforderungen gewachsen zu sein. Abb. 1 zeigt die 1973 fertiggestellte »Explora«. Ziel bei der Konzeption eines modernen Meßschiffes für geophysikalische Zwecke konnte nur sein, von den bisherigen Realisierungen abzugehen und ein integriertes Gesamtsystem anzustreben, von dem das Schiff selbst, seine navigatorische wie geophysikalische Ausrüstung und nicht zuletzt auch die gesamte Besatzung nur Teile sind. Über und hinter aller Technik stehen Menschen, von deren Fähigkeiten, aber auch von derem guten Willen ein Erfolg ganz wesentlich abhängt. Welches sind nun die Anforderungen an solch ein Schiff und wie werden sie verwirklicht?
  • Das Schiff muß alle zur Zeit gebräuchlichen Meßverfahren der angewandten Geophysik separat oder simultan ausführen können, also Reflexionsseismik mit langem Kabel und großer Eindringtiefe, wobei noch verschiedene Energiequellen in Frage kommen, Reflexionsseismik mit kurzem Kabel, hohem Auflösungsvermögen und geringer Eindringtiefe, Gravimetrie, Magnetik, Refraktionsseismik und Bathymetrie, wobei die einzelnen Komponenten und ihre Kombinationen frei wählbar sind.
  • Das Schiff ist so groß und so seetüchtig, daß es überall und bei jedem Wetter - wenn nicht hier die angewendeten Meßverfahren eine engere Grenze ziehen - eingesetzt werden kann.
  • Ein modernes Forschungsschiff ist schnell, um bei den großen Entfernungen zu weit auseinanderliegenden Meßgebieten eine vertretbare Relation zwischen Reise- und Arbeitszeit zu gewährleisten.
  • Die Raumaufteilung und die Stromversorgung eines neuen Meßschiffes sind so ausgelegt, daß sie jederzeit an die Weiterentwicklung der Meßtechnik angepaßt werden können.
  • Das Meßschiff ist weitgehend automatisiert. Und das nicht nur, um Personalkosten zu sparen, sondern in erster Linie, um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern.
  • Das Schiff bietet der Besatzung die besten Lebens-und Arbeitsbedingungen, die bei dieser Bauart und Größe mit einem vertretbaren Aufwand zu erreichen sind.

  • Die sechs genannten Forderungen bestimmen schiffsseitig das, was man nach langen Jahren des Erfahrungsammelns als heutige Norm für seegeophysikalische Meßschiffe bezeichnen kann.
    Bislang haben wir von dem integrierten Gesamtsystem eines Meßschiffes für marine Geophysik zwei Teilaspekte beleuchtet: Die Besatzung und das eigentliche Schiff. Ich möchte mich nun den speziellen Meßverfahren der angewandten Seegeophysik zuwenden.

    Reflexionsseismik

    Die Reflexionsseismik erfordert im Vergleich zu anderen seegeophysikalischen Meßverfahren zweifellos den größten technischen und finanziellen Aufwand. Bei simultanen Messungen - wenn also gleichzeitig Seismik, Gravimetrie und Magnetik gemacht wird - entfallen mehr als 900/0 des Aufwands und somit der Kosten für die Datenerfassung auf die Seismik. Dem reibungslosen Ablauf der seismischen Messungen muß deshalb aus wirtschaftlichen Gründen immer Vorrang eingeräumt werden.
    Bei der Beschreibung der seismischen Einrichtungen an Bord möchte ich zunächst die Energiequelle, dann das Kabel und zuletzt die Aufnahmeapparatur behandeln. Als Energiequelle benutzt man heute sogenannte Luftpulser. Dabei sind die einzelnen Pulserzylinder zu Batterien von 20 oder mehr zusammengefaßt; sie sind an zwei starken Stahlrohrrahmen in einer bestimmten Anordnung befestigt und werden etwa 30 m hinter dem Schiff in einer Wassertiefe von rund 10 m geschleppt. Abb. 2 zeigt schematisch in einer Seitenansicht und im Grundriß die Anordnung der Luftpulserkanonen im Array. Man erkennt den Schwimmer, der den Schlepprahmen trägt, und auch den Verlauf des Auslösekabels zusammen mit der Luftzuleitung. Man sieht auch, wie die Verbindung über die Verteilungsstation mit den Kompressoren hergestellt ist. In den Pulsern wird normale Luft auf 150 Atmosphären komprimiert und über eine Auslösevorrichtung plötzlich entspannt. Die dabei freiwerdende Energie pflanzt sich dann im Wasser und im Untergrund weiter fort und wird von den einzelnen Elastizitätsgrenzflächen wieder reflektiert.
    Die in großen Mengen benötigte Luft wird von zwei mehrstufigen Kompressoren großer Kapazität bereitge-
    Luftpulserschema
    Abb. 2 Luftpulserschema

    stellt. Die Steuerung des Ladevorgangs und die Auslösung der Pulser wird automatisch vom seismischen Aufnahmesystem besorgt.
    Das Luftpulserverfahren ist ausgesprochen flexibel. Da es erlaubt, Luftdruck und Volumen, Anzahl und Anordnung der Pulser und dazu auch die Auslösemomente der einzelnen Kanonen zu variieren, kann es den verschiedensten Anforderungen angepaßt werden.
    Außerdem ist diese Methode umweltfreundlich. Ein negativer Einfluß auf den Fischbestand ist bislang nicht festgestellt worden. Daneben ist Luft im Vergleich zu anderen Energiequellen der Vergangenheit auch besonders sicher zu handhaben. Luft ist auch ausgesprochen billig und noch in genügender Menge vorhanden.
    Zur Aufnahme der vom Untergrund reflektierten seismischen Energie dient das Meßkabel. Die heutzutage verwendeten Streamer haben eine Länge von annähernd drei Kilometern. Heute benutzt man in der Regel Streamer mit 48 Aufnahmekanälen, von denen jeder mit 32 beschleunigungskompensierten Hydrophonen bestückt ist. Dabei ist die geometrische Anordnung der einzelnen Kanäle in Abschnitte von je 50 m oder in einander überlappende Längen von jeweils 100 m wählbar. Um das nötige spezifische Gewicht zu haben, ist der gesamte Streamer mit Öl gefüllt. Er wird zusätzlich mit speziellen Tiefensteuerbojen in der gewünschten Tiefe gehalten.
    Das Meßkabel ist ein recht aufwendiges und leider auch sehr teures Teilsystem. Es bedarf einer ständigen Kontrolle, was seine Lage und Tiefe betrifft, weil die richtige Aufnahme der seismischen Impulse kontinuierlich gewährleistet sein muß. Zwölf über die gesamte Länge gleichmäßig verteilte Tiefengeber ermöglichen diese Überwachung von der Brücke aus und liefern ihre Tiefenwerte - die ja druckabhängig sind - in regelmäßiger Folge einem Datenerfassungssystem.
    Mit diesen laufenden Anzeigen hat der wachhabende Offizier die Möglichkeit, das Kabel mit Hilfe der Tiefensteuerbojen (Abb. 3) auf größere Tiefe zu bringen oder es aufschwimmen zulassen, je nachdem ob Hindernisse auf dem Wasser oder am Meeresboden eine Kollision befürchten lassen. Ein Peilsender in der Kabelendboje dient während der Meßfahrt dazu, die Ablage des Kabels im Bezug auf die Schiffslängsachse zu bestimmen - und wie bereits erwähnt, zur Korrekturbestimmung bei der späteren seismischen Datenverarbeitung in auf Magnetband registrierter Form festzuhalten.
    Tiefensteuerboje
    Abb. 3 Tiefensteuerboje

    Aus- und Einfahren des Kabels sind Funktionen, die sich nicht automatisieren lassen. Hier ist jedes Meßschiff auf die gute Zusammenarbeit zwischen den Kabeltechnikern an der Trommel und der Schiffsführung auf der Brücke angewiesen.
    Die Registrierung der Meßwerte erfolgt im Meßraum (Abb. 4) digital über eine DFS IV Apparatur von Texas Instruments mit zur Zeit 60 Spuren auf 1-Zoll-Magnetbänder.
    Meßraum für Seismik
    Abb. 4 Meßraum für Seismik

    Um Ihnen eine Vorstellung von der Menge der anfallenden Daten geben zu können, habe ich einmal die Summe überschlagen, die sich bei einer mittleren Monatsleistung von 2000 Profilkilometern ergibt, wenn das Schußintervall 50 m beträgt und wenn man bei einer Sampling-Rate von 4 ms jeweils 5 Sekunden lang 48 Spuren registriert. Die Summe ergibt rund 3 x 109 oder drei Milliarden registrierter Einzelwerte, eine Zahl, die sich niemand so recht vorstellen kann. Aus diesem Grunde ist es sicher anschaulicher, wenn ich Ihnen sage, daß diese Menge oder Unmenge von Daten immerhin über 500 vollgeschriebene Magnetbänder von 762 m Länge erfordert. Für reflexionsseismische Messungen mit hohem Auflösungsvermögen, aber geringer Eindringtiefe steht ein kurzes Kabel - ein sogenannter Ministreamer, mit sechs bis zwölf Kanälen zur Verfügung. Die Registrierung kann hier auf dem gleichen Magnetband oder, wenn ein weiteres Laufwerk eingesetzt wird, auch getrennt von der Tiefenseismik erfolgen. Wenn ich im folgenden auf die nichtseismischen Verfahren bei den Seemessungen zu sprechen kommen werde, möchte ich vorausschicken, daß der Umfang dieser Ausführungen nicht ganz im richtigen Proporz zur Seismik stehen wird.

    Seegravimetrie

    Ich möchte mit der Gravimetrie beginnen und erwähnen, daß man zwar schon um die Jahrhundertwende versuchte, die Schweremessungen vom Festland auch auf das Meer auszudehnen. In erster Linie war es damals die Höhere Geodäsie, die in ihrem Bestreben nach der Bestimmung der Erdgestalt und der Geoidundulationen aus Schweremessungen sowie zur Klärung der Isostasiefrage nicht auf die rund zwei Drittel der Erdoberfläche verzichten wollte, die von Wasser bedeckt sind. Allerdings haben die zahlreichen Versuche und Methoden in dieser Richtung in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts keinen richtigen Eingang in die angewandte Geophysik gefunden, und zwar deswegen nicht, weil die bis dahin zu erreichende Meßgenauigkeit den Anforderungen, die eine sinnvolle Interpretation stellte, noch nicht gewachsen war. Auch nachdem die ersten, weitgehend ausgereiften Seegravimeter auf den Markt kamen, die bereits eine Meßgenauigkeit von etwa einem Milligal hatten, stellte man fest, daß wegen der großen Ungenauigkeit der an die Meßwerte anzubringenden Korrekturen, das Endergebnis - nämlich die Bouguer- oder Freiluftanomalien - nicht viel genauer war als ± 10 mgal. Einen wesentlichen Anteil an dieser nicht zufriedenstellenden Endgenauigkeit hatte der sogenannte Eötvös-Effekt, der nur von der EW-Komponente des Geschwindigkeitsvektors eines fahrenden Meßschiffs abhängt. Eine Genauigkeitssteigerung war daher nur auf dem Wege einer besseren Ortung zu erreichen. Die Anwendung der Doppler-Sonar-Methode, vor allem aber die Registrierung der Ortungswerte im Takt der seismischen Messungen, also in relativ kurzen Zeitintervallen erlaubt im postprocessing eine genügend genaue Berechnung der Eötvöskorrektur. In der praktischen Realisierung sieht es so aus, daß im Gravimeterraum (Abb. 5) - fast genau im Schnittpunkt von Roll- und Stampfachse - ein Askania-Gravimeter vom Typ GSS 3 auf einer von Anschütz entwickelten kreiselstabilisierten Plattform installiert ist. Hier sind die vertikalen und horizontalen Störbeschleunigungen im Seegang am geringsten, auch wenn sie unter ungünstigen äußeren Bedingungen immer noch Werte von 0,1 g oder, um bei einem geläufigeren Maß zu bleiben, 100 000 mgal erreichen können.
    Gravimeterraum
    Abb. 5 Gravimeterraum

    Kontinuierlich wird der gemessene Schwerewert auf einem Analogstreifen aufgezeichnet und außerdem zusammen mit den Ortungsdaten - wir werden noch darauf zu sprechen kommen - auf Lochstreifen oder Magnetband registriert. Das Gravimeter bedarf während der Meßfahrt keiner besonderen Wartung oder Bedienung. Lediglich die Horizontierung des Kreiseltischs muß in regelmäßigen Abständen mit Hilfe der Tischlibellen kontrolliert oder gegebenenfalls nachgestellt werden. Für die spätere Auswertung, die angefangen bei der Plausibilitätskontrolle der Ausgangsdaten bis zu einem Isolinienplan der Bouguer- oder Freiluftschwere oder gar bis zu einer tektonischen Interpretation fast ausschließlich mit Hilfe der entsprechenden Programme in einem Datenzentrum durchgeführt wird, kommt sehr zu statten, daß sämtliche benötigten Größen, wie Uhrzeit, Koordinaten, Wassertiefe und die gemessene Schwere selbst meßpunktweise auf ein und demselben Band stehen.
    Nun zur erreichten Genauigkeit noch ein paar Worte. Der mittlere Fehler, der von Meßgebiet zu Meßgebiet leicht variiert, liegt zwischen einem und zwei mgal vor dem Ausgleich und zwischen 0,5 und einem mgal nach dem Ausgleich. Ich glaube nicht, daß sich diese Fehlergrenze in absehbarer Zukunft noch wesentlich unterschreiten läßt.

    Seemagnetik

    Einiges von dem, was ich eben erläuterte, trifft natürlich in gleicher Weise auch auf die Seemagnetometrie zu, wenn auch die sophistischen Probleme - was die Korrekturen betrifft - nicht so ausgeprägt sind.
    Bei beiden Verfahren, dem gravimetrischen wie dem magnetometrischen handelt es sich um Potentialmethoden. Hier soll anstelle des Schwerefeldes das Feld der magnetischen Totalintensität bestimmt werden. Während es bei der Gravimetrie darauf ankommt, aus einem Noise von einigen zigtausend mgal das Signal mit einer Genauigkeit von - sagen wir - einem mgal herauszufiltern, liegen bei der Magnetik die Schwierigkeiten darin, einerseits Störeffekte, die beim Vorbeifahren anderer Schiffe, also von großen Eisenmassen, auftreten, zu erkennen und andererseits dafür zu sorgen, daß die Meßsonde, die ca. 300 m seitlich hinter dem Schiff an einem abgeschirmten Kabel hergeschleppt wird, immer die gleiche Lage zum magnetischen Eigenfeld des Schiffes und des Seismik-Streamers hat. Eine weitere Forderung ist natürlich auch die konstante Tiefenlage der Sonde unter der Meeresoberfläche.
    Der Meßwert mit 1-Gamma-Genauigkeit wird zusammen mit den anderen Ortungsdaten im gleichen Takt registriert. Dieser Datenträger kann - wie auch bei der Gravimetrie - zur unmittelbaren Auswertung über einen Computer bis zur Darstellung der Ergebnisse in Isolinienkarten oder auch in Profildarstellung benutzt werden.

    Bathymetrie

    Die Beschreibung der nichtseismischen Verfahren bei modernen Seemessungen wäre nicht vollständig, wollte man die kontinuierliche Messung und Registrierung der Wassertiefen nicht auch noch erwähnen. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine eigentlich geophysikalische Messung, aber Sie werden sich leicht vorstellen können, daß eine Karte der Wassertiefen, und zwar in Form von Isobathen und nicht nur mit Tiefenwerten an diskreten Punkten, wie es bei Seekarten üblich ist, für die Interpretation gerade von gravimetrischen und magnetometrischen Meßergebnissen von unschätzbarem Wert sein kann.
    Wie schon bei den vorhin erwähnten Methoden, kann auch hier das Magnetband direkt zur Herstellung einer Isobathenkarte über Rechner und automatischen Plotter verwendet werden. Außer den bis hierher erwähnten nichtseismischen Verfahren müßten auch noch einige andere Einrichtungen erwähnt werden. Dazu gehören Radar, Horizontallot und Temperaturalarmgeber.
    Zur zusätzlichen Ausrüstung gehören auch zwei starke Barkassen, die als Rettungsboote für je 38 Personen zugelassen sind, die jedoch gleichzeitig als Verkehrsboote, Arbeitsboote oder Vermessungsboote eingesetzt werden können.

    Navigationssysteme

    Bislang haben wir von dem integrierten Gesamtsystem eines Meßschiffes für marine Geophysik die Teilaspekte der Besatzung des eigentlichen Schiffes und der geophysikalischen Ausrüstung beleuchtet. Bevor wir uns den Ergebnissen zuwenden, möchte ich noch kurz auf die Navigation und Ortung zu sprechen kommen.
    Wenn hier zwischen Navigation und Ortung unterschieden wird, so hat das seinen Grund in der gestellten Aufgabe. Die Auftraggeber - im allgemeinen die Mineralölgesellschaften - legen größten Wert darauf, daß die gewünschten geophysikalischen Messungen, also Seismik, Gravimetrie und Magnetik, auf den von ihnen geplanten Profilen ausgeführt werden. Ein gutes Navigationssystem muß der Schiffsführung Informationen liefern, die das Ansteuern definierter Meßpunkte oder 'bestimmter Profile ermöglichen. Während der Meßfahrt soll es Auskunft geben über Kurs und Geschwindigkeit und es soll jede Abweichung vom vorgegebenem Sollprofil erkennen und sofort korrigieren lassen. Dieser Bereich, den wir mit Navigation bezeichnen, ist eine in der Seefahrt übliche Aufgabe. Dort sind die Anforderungen an die Genauigkeit natürlich sehr viel weiter gesteckt.
    Die andere, ebensowichtige Aufgabe ist die Ortung. Mit Hilfe der registrierten Ortungsmeßdaten wird hinterher - das heißt bei der späteren Berechnung und Konstruktion der Profillagepläne in einem Datenzentrum - die tatsächliche Lage der vermessenen Punkte oder Profile ermittelt.

    Abb. 6 INDAS-Anlage

    Für diese Zwecke der Navigation und Ortung steht dem Meßschiff eine von Prakla-Seismos konzipierte und zusammengestellte INDAS-Anlage zur Verfügung (Abb. 6). Der Name Indas steht dabei für integriertes Datenerfassungssystem. Diese Anlage dient aber nicht allein der Erfassung von Ortungsdaten. Sie ist vielmehr ein recht komplexes computergesteuertes Navigationssystem, zu dessen wesentlichen Komponenten die verschiedensten Geräte der Ortsbestimmung nach Stand-linienverfahren oder Integrationsmethoden gehören. Für die Positionsermittlung nach Standlinien stehen wahlweise die Empfangseinrichtungen der Decca-Ketten zur Verfügung, also Empfänger für Main chain, Seasearch und Hifix. Hier sind die gesuchten Standlinien bekannterweise Hyperbeln. Bei den range-Verfahren kommt für den Nahbereich Shoran-XR und für den weiten Bereich Loran-C in Frage. In diesen Fällen ist der gesuchte Standort der Schnittpunkt zweier oder mehrerer Kreise. Während die genannten Ortungsmethoden auf ortsfeste oder mobile Sendestationen an Land angewiesen sind und daher eine mehr oder weniger begrenzte Entfernung von der Küste zulassen, liefert die Satellitennavigation, die natürlich auch zu den Standlinienverfahren zählt, eine tageszeit- und wetterunabhängige weltweite Ortungsmöglichkeit, allerdings unter dem Vorbehalt, daß die zur Ortsbestimmung erforderlichen Satelliten nicht ständig sondern nur sporadisch zur Verfügung stehen. Diese Zeiträume zwischen den Satellitendurchgängen überbrückt navigatorisch das Doppler-Sonar, ein Integrationsverfahren mit hoher Kurzzeitgenauigkeit.
    Das Sonar liefert die Geschwindigkeitskomponenten über Grund nur bis zu einer Wassertiefe von etwa 500 m. Bei größerer Tiefe mißt man diese Komponenten gegen eine weniger tief liegende wählbare Wasserschicht, wobei aber die Genauigkeit wegen der unbekannten Strömungsverhältnisse dieser Schicht geringer ist. Der auflaufende Fehler wächst nämlich - wie bei allen Integrationsverfahren - mit zunehmendem zeitlichem Abstand vom letzten Festpunkt. Die Zusammenfassung dieser zuletzt genannten Ortungsmethoden, also Satelliten-Navigation, Doppler-Sonar und Loran-C mit Indas bietet neben der schon erwähnten Datenerfassung eine ganze Reihe von Vorteilen.
    Sie liefert der Schiffsführung auf der Brücke ständig im Halbsekundenrhythmus den jeweiligen Ort in geographischen Koordinaten, die Entfernung zu einem vorgegebenen Zielpunkt, die Querabweichung vom Sollkurs, den Sollkurs über Grund und den Driftwinkel digital auf einer Leuchttafel. Dabei entspricht die letzte Anzeigeziffer einem Meter. Daneben wird der Schiffsweg auf einem Plotter entweder nordorientiert oder bezogen auf vorgegebene Profilkoordinaten aufgezeichnet.
    Darüber hinaus steuert Indas automatisch den Ablauf der Messungen, entweder in einer zeitlich exakten Folge, also etwa alle 12 Sekunden, oder abstandsbezogen, zum Beispiel alle 50 m. Schiffsführung und Fahrtleitung sind dabei weitgehend von der Handhabung des Fahrzeugs und seiner Einrichtungen entlastet. Bis hierher handelte es sich also in erster Linie um Hilfen für die Navigation während der Fahrt.
    Für die spätere Auswertung werden aber alle nach einem ganz bestimmten Format auf Magnetband oder Lochstreifen registrierten Meßwerte der verschiedenen Geber benötigt. Um eine schnelle Kontrollmöglichkeit zu haben, werden die Daten parallel dazu auf einem Blattschreiber ausgedrückt. Es handelt sich dabei nicht nur um reine Ortungsdaten. Einige der Werte dienen auch der Auswertung der marinen Seismik oder stellen direkt geophysikalische Größen dar.
    Auch hier am Beispiel der Navigation eines Meßschiffes für marine Geophysik hoffe ich gezeigt zu haben, daß solch ein Schiff nicht nur Träger von Meßeinrichtungen, sondern - wie schon an anderer Stelle gesagt - daß Schiff und Navigation eben Teile eines Gesamtsystems sind.

    Meßergebnisse

    Zum Abschluß meines Referates möchte ich Ihnen anhand einiger Beispiele die verschiedenen Meßergebnisse vorführen. Sie sollen Ihnen demonstrieren, was bei simultanen geophysikalischen Seemessungen zu erwarten ist.
    Die nächste Abb. 7 zeigt einen Ausschnitt aus einem Profillageplan. Er basiert auf der vorhin erwähnten Satelliten-Navigation, die mit Doppler-Sonarmessungen kombiniert wurde.

    Abb. 7 Profillageplan

    Um Ihnen eine Vorstellung von den Maßstabsverhältnissen zu geben, sei erwähnt, daß das engere Profilnetz im zentralen Teil des Ausschnitts einen Rasterabstand von 2 Kilometern hat.
    Die beiden nächsten Abbildungen stellen Ausschnitte aus seismischen Sektionen dar. Es handelt sich in beiden Fällen um reflexionsseismische Aufnahmen vom Schiff aus. Sie stammen allerdings nicht aus dem Meßgebiet, von dem Sie eben einen Lageplanausschnitt gesehen haben. Ich habe sie ausgewählt, weil sie durch ihren Gegensatz beispielhaft zeigen, wie wertvoll in manchen Fällen zusätzliche geophysikalische Meßverfahren - also Gravimetrie und Magnetik sein können.

    Abb. 8 Gute seismische Reflexionen

    In Abb. 8 haben wir ein ausgesprochen schönes Beispiel von eindeutigen Reflexionen. Das Bild spricht für sich und bedarf keiner Erläuterung. Es sei lediglich vermerkt, daß nicht immer und überall die Ergebnisse so gut aussehen.
    Es gibt auch Fälle, wo tektonische Störungen gute Reflexionen verhindern. Solche Störungen gibt es vielfach, ohne daß man sofort nur aus der Seismik alleine schließen könnte, wie die geologischen Zusammenhänge liegen. In anderen Fällen könnten Plutone die Ursache für eine gefundene seismische Unstetigkeit sein, oder aber es lassen sich einfach die Horizonte vor und hinter einer Störung nur schwer oder gar nicht korrellieren. In den genannten, aber auch in anderen Fällen führt der Vergleich mit den Ergebnissen der Gravimetrie und der Magnetik meist sehr schnell zu einer eindeutigen Lösung, auch wenn manchmal zuerst einige Modelle mit variierten Dichten - oder Magnetisierungsannahmen durchgerechnet werden müssen. Ich denke, daß die beiden nächsten Bilder die Möglichkeit einer solchen Interpretation gut untermauern können.

    In Abb. 9 Bouguerkarte

    Abb. 9 haben wir genau den gleichen Ausschnitt aus der Karte der Bouguerschen Schwerestörung wie er vorhin als Lageplan gezeigt wurde. Die feinen, geraden Linien stellen den Profilverlauf dar. Bei den Isolinien beträgt der Abstand jeweils 1 Milligal. Wesentlich erscheint mir bei der Betrachtung die Tatsache des ruhigen, und bei dem engen Profilnetz auch gesicherten Isogallenverlaufs. Noch vor wenigen Jahren hätte man so ein Ergebnis bei seegravimetrischen Messungen für unerreichbar gehalten. Das Relief dieser Bouguerschwere läßt gut den Verlauf mehrerer Störungen erkennen. Leider kann ich Ihnen als Beweis keine seismischen Tiefenlinienpläne demonstrieren, weil diese Art der Auswertung im vorliegenden Meßgebiet nicht verlangt war.

    Abb. 10 Isogrammenkarte

    In der Abb. 10 haben wir wieder genau den gleichen Meßgebietsausschnitt vor uns. Es handelt sich hier um das Feld der magnetischen Totalintensität, wobei aber der regionale Anteil bereits eliminiert ist. Hier haben die Isogammen einen Abstand von 5 Gamma. Es überrascht die gute Auflösung der einzelnen Anomalien. Ich möchte aber nicht verschweigen, - und Sie werden es bei genauerer Betrachtung selbst erkennen - daß nämlich die Detailform der Einzelanomalien durch den Profilverlauf etwas verformt zu sein scheint. Diese Tatsache ist leicht zu erklären. Nur auf den Profilen selbst liegen ja Meßwerte vor, und zwar in relativ dichter Folge, während zwischen den Profilen naturgemäß nicht gemessen wird. Nun entspricht dieser Sachverhalt nicht dem Sampling-Theorem, nach welchem es wünschenswert wäre, in allen Richtungen eine gleiche Meßwertdichte zu haben. Das Rechenprogramm, welches nun zwischen den Profilen für das automatische Plotten der Isolinien Zwischenwerte interpolieren muß, kann nun zweierlei tun. Entweder - und darüber hilft auch eine quadratische Interpolation nicht hinweg - werden die zahlreichen Meßwerte auf den Profilen überbewertet und es entsteht ein Ergebnis wie Sie es hier vor sich haben, oder man verzichtet auf einen großen Teil der Einzelwerte - sei es durch Weglassen oder durch Glätten - und erhält somit ein ruhigeres Bild mit glatterem Isogammenverlauf. Für die Interpretation der Ergebnisse, insbesondere für einen Vergleich mit denen der Gravimetrie, ist dies jedoch von untergeordneter Bedeutung.
    Wenn man die beiden Ergebnisse der Gravimetrie und der Magnetik aufeinander projizierte, dann ließen sich mehrere positive Schwereanomalien erkennen, die lagemäßig identisch sind mit starken magnetischen Anomalien, während bei anderen eine solche Korrelation nicht vorliegt. Schon allein dieser nur qualitative Vergleich hilft in vielen Fällen ein ganzes Stück weiter. Eine entsprechende quantitative Interpretation gibt darüber hinaus Hinweise auf Form oder Tiefe der die Anomalien verursachenden Störmassen.
    Die letzte Abbildung 11 zeigt wieder vom selben Gebiet den Wassertiefenplan. In der vorliegenden Karte sind alle Tiefenlinien im 5-m-Abstand dargestellt. Eine solche Isoliniendarstellung wirkt nicht nur plastisch, sie kann auch bei der Auswertung gravimetrischer und magnetischer Seemessungen, wo es auf den Abstand des Meßinstruments zum Seeboden ankommt, oder wo das Relief des Untergrunds zu Korrekturzwecken


    Abb. 11 Wassertiefenkarte

    benötigt wird, ganz wesentliche Hilfe leisten. In der linken oberen Ecke erkennt man z. B. den dort beginnenden Kontinentalabhang.
    Ich hoffe, Ihnen gezeigt zu haben, wie fortgeschritten der heutige Stand in der angewandten Seegeophysik bereits ist. Und ich glaube auch, verdeutlicht zu haben, das neben der Seismik, die auch in Zukunft die dominierende Rolle spielen wird, die zusätzlichen und unabhängigen, jedoch simultan gewonnenen Ergebnisse der Gravimetrie, der Magnetik und der Bathymetrie verglichen mit ihrem zusätzlichen Aufwand einen großen Gewinn für die Interpretation in geophysikalischer und geologischer Hinsicht bedeuten.

    Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten. URBAN-VERLAG Hamburg/Wien GmbH, 2 Hamburg 76, Alfredstraße 1, Tel. (040) 256058.

    Dr. H. Ries , PRAKLA-SEISMOS GMBH, 3 Hannover 1, Haarstraße 5.
    Vortrag gehalten anläßlich der Jahrestagung 1974 der Österreichischen Gesellschaft für Erdölwissenschaften am 9. Mai 1974 in Wien.

    Die Genehmigung zur Veröffentlichung auf dieser Website wurde am 08. Juni 2009 per E-Mail erteilt.