Report Datenbank php 7.x aufrufen Entwicklung der PRAKLA-Seemesskabel (I)
Rundschau Nr.31, 1966

1. Teil
Die Wissenschaft ist der Meinung, das Leben auf unserer Erde habe vom Wasser aus das Land erobert. Den umgekehrten Weg aber ist mit Sicherheit ein noch recht junges Kind der Wissenschaft gegangen: die angewandte Geophysik.
Unsere Firma PRAKLA hat dazu nicht unwesentliche Beiträge geleistet. Bereits fünf Jahre nach Beginn des mühevollen Neuaufbaus der PRAKLA nach dem letzten Krieg wurden im Jahre 1951 die ersten seismischen Messungen auf See in Angriff genommen. Unsere Bemühungen, die Meßverfahren und Meßgeräte immer weiter zu verbessern, brachten uns von Jahr zu Jahr wachsende Erfolge. Teilweise ist darüber schon in der PRAKLA-Rundschau berichtet worden.

Unser Hauptarbeitsgebiet ist naturgemäß die Nordsee. Doch Anfang 1962 gelang uns erstmals ein Vordringen in überseeische Gewässer mit Messungen im Roten Meer. Im Jahre 1965 konnten wir nun sogar zwei Seemeßtrupps nach Übersee entsenden, einen in die Gewässer vor Borneo und den anderen vor die Küste von Nigeria.

Wie bei allen unseren Arbeiten sind solche Erfolge nur möglich im Zusammenwirken von einsatzfreudigen Menschen und einer guten technischen Ausrüstung. Ein wesentlicher Teil davon ist das Meßkabel, über dessen Entwicklung hier berichtet werden soll.

Bei den seismischen Messungen benötigen wir eine Schallquelle, meist eine zur Detonation gebrachte Sprengladung, den „Schuß", dann Schallempfänger, an Land „Geophone" und auf See „Hydrophone" genannt, und schließlich die heute recht komplizierten und umfangreichen Registriergeräte, die „Aufnahmeapparatur". Bei reflexionsseismischen Messungen wandeln die Empfänger die von den einzelnen Erdschichten zurückkehrenden Echos in elektrische Spannungen um, die dann in der Apparatur verstärkt, gefiltert und aufgezeichnet werden. Aus diesen „Seismogrammen" kann man dann mit vielen Tricks auf die Form und Lage der Gebirgsschichten im Untergrund bis zu vielen 1000 m Tiefe schließen.

Als bei uns vor 15 Jahren die ersten vorbereitenden Versuche für Messungen auf See unternommen wurden, lag es nahe, die auf dem Festland bewährten Geophone in wasserdichter Ausführung zu verwenden. Nun müssen entlang einer Linie, dem „Profil", viele aneinander anschließende Messungen ausgeführt werden. Wenn man weiter bedenkt, daß gleichzeitig mit 12 Hydrophonen gemessen werden sollte, wird verständlich, daß ein Auslegen der Hydrophone -auf dem Meeresgrund nur bei Messungen dicht vor der Küste in Wattgebieten oder in ganz flachem Wasser wirtschaftlich ist.

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Die PRAKLA wollte aber gleich höher hinaus, auf die Hochsee. So entschloß man sich, an einem Stahlseil Bojen zu befestigen, an diesen die Hydrophone aufzuhängen, und die Verbindungskabel zu den Hydrophonen am Stahlseil entlangzuführen. Ein solches „Meßkabel" konnte dann einfach von Schußpunkt zu Schußpunkt weitergeschleppt werden.
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Das erste Meßkabel dieser Art hatte also 12 Hydrophone, die, an 12 getrennten Registrierkanälen angeschlossen, in den Seismogrammen 12 „Spuren" lieferten. Die Hydrophone wurden in 3 m Tiefe aufgehängt und hatten jeweils einen Abstand von 30 m, so daß das ganze Kabel etwa 350 m lang war.
Das schreibt und liest sich ganz leicht, aber wie viele Überlegungen und Versuche dazu notwendig waren, sei am Beispiel der Hydrophone erläutert: Bei den zur Verfügung stehenden Geophonen handelte es sich um Bewegungsempfänger, die auf Bewegungen in ihrer Achsrichtung empfindlich sind. Nun sollten die Empfänger aber nicht auf festen Meeresboden gesetzt, sondern ins Wasser gehängt werden. Sie mußten also die von den Horizonten im Untergrund kommenden, in das Wasser übergetretenen Echos gut aufnehmen, d. h. den durch das Wasser laufenden Echowellen möglichst leicht folgen können.
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Daher wurde jeweils ein Geophon in einen großflächigen, luftgefüllten Schwimmkörper in Gestalt einer Linse eingebaut, dessen Auftrieb gerade gleich dem Gewicht des Geophons im Wasser war. Das ganze Gebilde, das „Linsenhydrophon", befand sich dann im Schwebezustand.

Jedes Linsenhydrophon sollte nun in bestimmter Tiefe unter seiner Boje gehalten werden. Dazu wurde es, an Gummibändern weich gefedert, in einem Rahmen aufgehängt, der, mit einem Gewicht beschwert, an der Boje hing. Die Federung konnte gar nicht weich genug sein, denn der Rahmen des Hydrophons machte ja alle senkrechten Bewegungen der Boje durch den Seegang mit.

Bei gutem Wetter ließen sich mit diesem Meßkabel schon recht ansehnliche Ergebnisse erzielen. Leider gibt es in unseren Seegebieten aber mehr unruhiges als ruhiges Wetter. So mußten ständig neue Anstrengungen gemacht werden, um auch bei schlechterem Wetter messen zu können.

Ein erster Schritt in dieser Richtung war, an jeden Registrierkanal nicht ein, sondern drei - zu einer Gruppe zusammengeschaltete - Hydrophone anzuschließen. Denn die Störungen infolge der Bojenbewegungen sind sicher bei jedem Hydrophon andere, während die Echos fast genau zur gleichen Zeit an den Hydrophonen einer Gruppe in der gleichen Stärke eintreffen, so daß die von ihnen gelieferten Nutzspannungen sich unterstützen bzw. addieren.

Ein wesentlicher größerer Schritt gelang dann durch eine noch weichere Federung der Hydrophone und viele weitere Verbesserungen. Jetzt konnte schon bis Windstärke 3 bis 4 gemessen werden - wenn sich also erste Schaumkronen auf den Wellen zeigen. Die neue „Federung" sah so aus: An den Bojen wurde je ein kugelförmiges Gewicht in 3 m Tiefe aufgehängt, das dann bei geschlepptem Kabel ein im Wasser schwebendes Hydrophon in 1 m Entfernung hinter sich herzog. Bei gestopptem Kabel hielten sich die Hydrophone nur kurze Zeit in dieser Lage, jedoch lange genug, um in ruhiger Lage die Echos aufnehmen zu können.

Auch dieses Kabel war wieder mit 12 Dreiergruppen bestückt. Die Gruppen hatten Abstände von 30 m, die Entfernungen zwischen den einzelnen Hydrophonen in einer Gruppe waren 6 m. Die Hydrophone selbst hatten ihre Gestalt gewandelt, aus den Linsen waren „Flundern" geworden, flache Gebilde aus Holz, hinten mit Stabilisierungsflossen, in ihrer Form fast genau wie die gleichnamigen Fische. Diese Form entstand auf der Suche nach einem für die Hydrophone geeigneten, strömungsgünstigen Schwimmkörper. Massives Holz wurde wegen der schlechten Erfahrungen gewählt, die man mit den aus Metall
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Seismogramm von der Ostseemessung

hergestellten Linsen gemacht hatte: Diese wurden oft durch die vom Schuß ausgehende, durch das Wasser laufende Druckwelle völlig zusammengedrückt.
Die Bojen waren auch verbessert worden: Sie waren nun kleiner und leichter und hatten einen Schutzkragen erhalten, der das Untertaucher bei Seegang weitgehend verhinderte.
Als weitere Verbesserungen neben vielen anderen wurde das Stahlseil in die Mitte des Verbindungskabels gelegt und auf diese Weise diese beiden Bauteile zu einem Kabel vereinigt.

Das neue Meßkabel hatte neben besseren Meßergebnissen auch eine wesentliche Arbeitserleichterung gebracht. Während vorher jede Boje mit Hydrophonen über zwei Zentner wog und mit Hilfe eines Ladebaums zu Wasser gebracht werden mußte, konnte das neue Kabel von Hand ausgelegt werden.

Während dreier Sommer leistete das Meßkabel mit den Flunderhydrophonen gute Dienste. In den folgenden drei Jahren wurden dann zwei neue aus den USA gekaufte Meßkabel eingesetzt, in denen neue Empfängersysteme verwendet wurden, nämlich Druckempfänger. Diese haben den großen Vorteil, fast nicht auf Bewegungen im Wasser, sondern auf die durch das Wasser laufenden Druckwellen unmittelbar anzusprechen.

Solche Druckempfänger können nach verschiedenen Prinzipien gebaut werden. Besonders elegant sind Ausführungen, die über den magnetostriktiven oder über den piezoelektrischen Effekt arbeiten, denn diese enthalten keine beweglichen Teile, sie nutzen nur die Verformung geeigneter Materialien bei Druckeinwirkung aus. Von den beiden amerikanischen Meßkabeln hatte das eine magnetostriktive, das andere piezoelektrische Hydrophone, die sich beide als recht gut erwiesen. Aber die mechanischen Ausführungen hatten den Nachteil einerseits der Unhandlichkeit und andererseits der Störanfälligkeit infolge nicht völlig durchentwickelter Ausführung. Das gab den Anstoß, bei PRAKLA ein neues, mit Druckempfängern bestücktes Meßkabel zu entwickeln. Es entstand der PRAKLA-Ölstreamer, mit dem in den Jahren 1961 bis 1964 alle Hochseemessungen ausgeführt wurden. Was bedeutet nun „Ölstreamer", und wie sieht sein Aufbau aus?

Da es keine kurze deutsche Bezeichnung für „Streamer" gibt, wurde dieser Name übernommen für ein Meßkabel, bei welchem die Hydrophone nicht außen befestigt, sondern innen eingebaut sind, so daß es außen völlig glatt ist. Infolge des überall gleichen Durchmessers und der glatten Oberfläche entstehen
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Seismogramm von der Nordsee

Entwicklung der PRAKLA-Seemesskabel (I)
in der Umgebung der Hydrophone beim Ziehen unter Wasser keine Wirbelbildungen und das Wasser strömt gleichmäßig am Kabel vorbei.

Aus dieser Tatsache ist das Wort „Streamer" abgeleitet, denn „to stream" bedeutet nichts anderes als „strömen".

Wegen dieser strömungsgünstigen Eigenschaft und der Möglichkeit, das Kabel tief unter der Wasseroberfläche zu ziehen, wurden die von den Hydrophonen aufgenommenen Störgeräusche so gering, daß noch bis zu Windstärke 6 gemessen werden konnte, ohne das Meßschiff vor jedem Schuß stoppen zu müssen.

Streamer mit Ölfüllung

Der Gesamtaufbau des Streamers wurde so ausgelegt, daß sein mittleres spezifisches Gewicht etwas über dem des Wassers lag, daß er also eine ganz leicht sinkende Tendenz hatte, unter Schleppzug aber selbst bei größeren Längen auf gleicher Tiefe zu halten war, normalerweise 10 m unter der Wasseroberfläche. Dazu wurden an einigen Stellen Plastikballons mit Perlonseilen an Kabel befestigt, im Mittel alle 200 m. So konnte auch gleich die Kabelauslage gut verfolgt werden.

H. Weichart
Entwicklung der PRAKLA-Seemesskabel Teil 2