PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 1975  
 
Bericht aus Gabun  
Camp
 

Nur ein Teil der insgesamt 62 PRAKLA-SEISMOS-Gastarbeiter, die ihr Schicksal im Laufe des Jahres 1974 und Anfang 75 nach Gabun verschlug, wußten nac~ Bekanntwerden ihres Einsatzlandes auf Anhieb und mit Bestimmtheit zu sagen, auf welchem Kontinent Gabun zu suchen sei. Der Griff nach dem Atlas brachte die ersten Erkenntnisse: Ein afrikanisches Land, umgeben vom Atlantik im Westen, Kamerun im Norden und dem Kongo im Osten und Süden. Hauptstadt Libreville. Südlich davon der Zielort Port Gentil. Und, wer hätte das vermutet: Lambarene! berühmt durch Albert Schweitzer.

Man forschte weiter und fand heraus, daß die Bevölkerung zur Hauptsache aus Fangs besteht und Bantus, untergliedert in ca. 14 ethnische Gruppen mit eigenen Dialekten. Doch die große Sprachenmutter ist Französisch, fast jeder spricht es gut bis leidlich -stand zu lesen. Die Bevölkerung wird auf eine Million geschätzt. Man stelle sich die Bevölkerung Münchens vor, verteilt auf 272000 qkm. Münchner und Gabonesen verbindet freilich mehr als nur die nackte Anzahl wie sich später zeigen sollte, nämlich die Liebe zum Bier. Ein teueres Land. Das teuerste Land der Erde, Venezuela noch hinter sich lassend (Man will uns das aber nicht glauben). Ein reiches Land. Die Erdölförderung geht auf das Jahr 1957 zurück und steigt von da an durch neue Funde, off-und onshore, ständig an. Der Holzreichtum ist augenfällig. Riesige Okoume-und Ozigo-Bäume werden gefällt, die Stämme zur Küste gefahren oder geflößt und dort verschifft oder im Land zu Sperrholz verarbeitet. Von der Küste bei Libreville ausgehend frißt sich bald die große "Transgabonais" nach Osten vor, ein Schienenstrang, der sich im Landesinneren V-förmig gabeln wird und helfen soll, die Ausbeute der reichen Uran-, Mangan-und Eisenerzlagerstätten zu bebeschleunigen.

   
Ankunft des ersten Teiles der Truppausrüstung an der Landungsstelle
Ankunft des ersten Teiles der Truppausrüstung an der Landungsstelle
xx
Heckaufreißer an einem Caterpillar
         
Bohrgeräte
Bohrgeräte

So oder ähnlich konnte man lesen. Was aber hielt Gabun für uns bereit? Sprengseismik, 96-spurig mit zwei Apparaturen, zu bewältigen mit einer Masse schweren Materials. Fünf und später zehn Schubraupen sollten die Schneisen durch den jungfräulichen Urwald brechen und kleinere Sümpfe und Wasserläufe mit Erd-und Laterit-Dämmen passierbar machen.

Nach ersten Einzelgängern und Vorreitern fliegt Ende März 74 die "Advance Crew" nach Port Gentil. Gemessen an der späteren Stamm-Mannschaft von 44 Leuten nehmen sich diese ersten 13 Mann bescheiden aus die jetzt die Ankunft der " Roland Russ" erwarten. Die ' Entladung des Schiffes zieht sich über Tage hin. BLC "Gamba" und "Corisco", die beiden Landungsboote der SHELL, geh.en längsseits und nehmen die Fahrzeuge, Caterpillar, Trailer und Container an Bord. Die Entladung gestaltet sich abenteuerlich, wie fast alles, was noch folgen soll in diesem Land. Die ausgeleierten Schiffskräne können nur noch 40 Tonnen heben, wie man unverhohlen zugibt. Unsere schwersten Caterpillar wiegen 38 Tonnen. Kein Wunder also, daß sich niemand bei der Ladeprozedur darunterstellt. Heftige Regenfälle zwingen beim Ausladen zu langen Unterbrechungen. Dann werden in aller Eile Planen über die Luken gespannt, um das Mehl zu schützen auf dem unsere Unimogs stehen. Die Schauerleute habe'n es gerne, wenn wir uns selbst um das Material kümmern und ihnen das Zuschauen überlassen. Sie zeigen ihre weißen Zähne und ihre Sympathie für unseren Eifer.

  Bohrgeräte und Versorgungspinasse in der Lagune
Bohrgeräte und Versorgungspinasse in der Lagune xx
Ladeprozedur im Hafen von Port Gentil
Weg in der Regenzeit
Weg in der Regenzeit Helfer werden in eine Piroque verladen
Helfer werden in eine Piroque verladen Flughafen in Gamba
Flughafen in Gamba
 

Bis auf zwei der fünf Caterpillar 08 hat das Material auf den beiden Landungsbooten Platz gefunden. Sie verlassen nun die Bucht von Port Gentil, umfahren das Cap Lopez, marschieren in Sichtweite der Küste nach Südosten und erreichen nach ca. 200 km die Barre von Setta Cama. Nur bei Flut und Tageslicht gelingt es den Schiffen, die enge Einfahrt zu passieren und in die ruhigen Wasser der N'Dogo Lagune einzudringen, sehr zur Erleichterung des Begleitpersonals, das an Seekrankheit leidet. Von der Barre bis zur Landungsstelle an der Nordspitze der Lagune, dem berühmten Koumaga Debarcadere, ist es nicht mehr weit. Die Seereise klingt idyllisch aus. Langsam schieben sich die Boote durch den engen Korridor, an Sette Cama vorbei, scheuchen Waservögel hoch, treiben Flußpferde und Krokodile auf den Grund, gewinnen schließlich die offene Lagune, um endlich einzulaufen in die schmale Bucht von Koumaga.

Der Großteil der Mannschaft fliegt von Port Gentil nach Gamba, wo ein Ölfeld liegt. Gamba liegt an der Südspitze der etwa 40 km langen Lagune, ein ausgedehntes, heterogenes Gebilde. Es dauert einige Zeit, bis man alle Verästelungen durchschaut: An der Küste das Terminal mit Oltanks, Bürogebäuden, Pipelines und technischen Anlagen, weit ab davon die locker hingestreute Siedlung des Staff-Personals, irgendwo der kleine Flughafen, fernab die Bootslandestelle mit den notwendigen Einrichtungen und Lagern, unmittelbar an die Lagune stoßend ein Ortsteil mit Kirche und Polizeistation, irgendwo der Vembo-Komplex, in dem die Kontraktoren Quartier finden. All diese Ortlichkeiten sind kilometerweit auseinandergezogen und mit geteerten Straßen verbunden, die bei Regen glitschig werden und an denen Schilder vor Elefanten warnen, als handle es sich um Weidevieh.

Das erste provisorische Camp (1) entsteht ca. 7 km nördlich der Landestelle, auf der sog. Plaine de Koumaga, einer langgestreckten Lichtung. Eine alte strategische Piste führt von der Lagune kommend über diese Lichtung nach Nordosten und bildet die wichtigste Verkehrsachse des Gebietes. Letztmalig 1971 benutzt, ist dieser Weg nur noch streckenweise befahrbar. Vergangene Regenzeiten haben tiefe Rinnen eingefressen und Brücken weggespült. Wir werden zu Wege- und Brückenbauern. Knüppeldämme entstehen. Dann trommelt der Regen Tag und Nacht. Die Caterpillar, unterstützt durch einen im Lande gecharterten Grader, marschieren die Piste auf und ab und tun, was sie können, aber alle Versuche, Profiltrassen zu öffnen, scheitern vorerst. Der Waldboden ist durch den Dauerregen vollgesogen und grundlos, selbst dort, wo keine ausgesprochenen Sümpfe oder Wasserläufe den schweren Schubraupen den Durchmarsch verwehren. Fast jeder Versuch, die Piste zu verlassen, wird mit langwierigen Bergungsarbeiten bezahlt.

Und eines Tages steht die Hauptcrew vor dem Camp, beinahe zur eingeplanten Zeit und doch um Wochen zu früh : Bohrgeräte, Meßwagen, Kabelwagen, eine Flotte Wasserwagen und was noch alles. Die "Najade" hat mit dieser Ladung den größten Brocken nach Gabun gebracht, dazu noch Zünder, Schießdraht und über 100 Tonnen Sprengstoff. Der große Stau ist da. Das Camp wird auf der jetzt zerwühlten Piste ca. 50 km nach Nordosten gequält (Camp 2). Am 20. 5. fällt der erste Schuß, zwei Tage später der letzte schwere Tropenregen vor der Trockenzeit, die auf den Tag genau am 26. 5. beginnt. Jeder von uns spürt die veränderte Luft, ohne genau zu wissen, was jetzt anders ist.

Das war der Anfang in Gabun. Die heißersehnte Trockenzeit war da, aber es dauerte noch viele Wochen, bis wenigstens an einigen Stellen der Waldboden so weit getrocknet war, daß die Caterpillar ihre Schneisen schieben konnten. Nur ein relativ geringer Teil der Caterpillarzeiten kam der reinen Clearance-Tätigkeit zugute. Beim Studium der Monatsberichte zeigt sich deutlich, daß ein großer Zeitanteil für das Schieben von Um- und Zufahrtswegen, zum Brückenbau, zum Herausschleppen anderer Bohrraupen oder Fahrzeuge, zur Lateritaufbereitung, zur Herstellung von Bohrplattformen bei stark gewelltem Gelände, zum Einpflügen von Sprengschnur mittels Heckaufreißer etc. verbraucht wurde. In praxi verfolgte je ein Caterpillar die von einer Vermesser-Hackmannschaft ausgeschlagene und markierte Trasse. Sümpfe mußten umfahren und von beiden Seiten her angegangen werden. Kaum eine Profiltrasse, die nicht auf diese Weise zustande gekommen wäre.

Helfercamp und Landungsstelle für die Boote und Schiffe in der N'Dogo-Lagune Debarcadere
Helfercamp und Landungsstelle für die Boote und Schiffe in der N'Dogo-Lagune "Debarcadere"
  Versorgungsschiff Gamba auf Dock
Versorgungsschiff "Gamba" auf Dock

Es stellte sich sehr bald heraus, daß unsere fünf Caterpillar die geforderte Leistung nicht erbringen konnten, zumal erhebliche und langfristige Ausfälle die Produktivität begrenzten. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden weitere fünf Schubraupen vom Typ Hanomag K16/ K118 eingesetzt: die ab 11. bzw. 16. September zur Verfügung standen. Der Materialaufwand erreichte damit seine Spitze. Es standen jetzt im Einsatz:

  • 29 Fahrzeuge, davon 25 Unimogs,
  • 7 Bohrgeräte (3 Bohrraupen Intertrac 3023,
    4 Unimogs 3012),
  • 10 Schubraupen (5 Caterpillar 08,
    5 Hanomag K16/ K18)
    1 Frontlader (Caterpillar 966 C)
  • 10 Trailer und Container
dazu das örtlich gecharterte Material:
  • 2 Caterpillar 08
  • 1 Caterpillar Grader
  • 3 LKWs für Laterittransporte

Die Mannschaftsstärke war auf 44 Expatriates angestiegen, konform hierzu die Helferstreitmacht, die auf über 200 Seelen anwuchs. Bedingt durch den Arbeitskräftemangel in Gabun, hatten wir die Helfer aus den verschiedensten Orten herbeizulocken:
aus Lambarene, Port Gentil und Gamba. und da hier jeder Helfer seine Familie mitzubringen oder nachzuholen pflegt, hatten wir letztlich über 400 Personen zu betreuen, zu ernähren und bei CampMoves zu bewegen. Dörfer entstanden aus Sperrholzplatten und Wellblechdächern. Auch dieses Material war anzuschaffen, zu verteilen und bei Campumzügen mitzuschleppen. Das Dorf am Koumaga-Landeplatz wirkt heute so autochthon gewachsen, daß wohl kaum jemand diesem Gebilde seine Kurzlebigkeit ansieht. Kleine Rotznasen stehen nackt am Pistenrand, winken den vorbeischlingernden Fahrzeugen nach und fühlen sich total integriert in die Company "PRAKALA".

Transport und Nachschub lieferten Probleme ganz besonderer Art. Die 'Arbeitspferde' "Gamba" und "Corisco" trugen die Hauptlast und baggerten in die Lagune, was die "Roland Russ", " Najade", "Ubena", und wieder "Najade", "Vadai" und "Kariba" nach Gabun verschifften. Nicht immer standen sie uns fristgerecht zur Verfügung, auch andere Aufgaben galt es für sie zu bewältigen. Als sog. beach landing crafts waren sie den Landungsbooten des letzten Weltkriegs nachempfunden und mit herunterklappbaren Frontpforten ausgestattet. Diese Fahrzeuge führten auch alle größeren Transporte innerhalb der Lagune durch. Sie brachten unsere Unimogs, Trailer, Bohrgeräte und Schubraupen von Koumaga nach M'Bassou, wo Ende 74 ein Detailprogramm zu schießen war oder später nach Vera, wo Anfang dieses Jahres für die nächste Trockenzeit über 100 Profilkilometer vorab geklärt werden mußten. Landungsstellen waren zu improvisieren, um Raupen oder Bohrgeräte an isolierten Plätzen abzusetzen und nach getaner Arbeit wieder aufzunehmen.

Kleinere Frachten, wie verderbliche Lebensmittel oder Besucher, flogen in der Regel mit einer zweimotorigen "Britten" der Air Inter Gabon nach Gamba. (Hubschrauberflüge waren seltener und immer nur besonderen Ereignissen vorbehalten.) Später, als die Belegschaft drastisch anwuchs und das Camp aus den Nähten zu platzen drohte, erledigte eine Chartermaschine dieses Geschäft für uns am Freitag Nachmittag. "Unser Mann in Gamba" hatte Ladung oder Mannschaft am Flughafen in Empfang zu nehmen und per VW-Bus zur Bootslandestelle zu fahren. Von dort aus übernahmen gemietete Piroguen oder firmeneigene Speed-oder Schlauchboote den Transport durch den Inselarchipel der Lagune nach Vera oder Koumaga. Zweieinhalb Stunden Fahrt mit dem Unimog vom Debarcadere nach Camp 2, dem Lager, das am längsten bestand, schloß die Reise ab.

Nach Einsetzen der Regenzeit Mitte Oktober, waren die Geländearbeiten in Koumaga nur noch unter größten Mühen weiterzuführen. Ein Teil des Programmes mußte gestrichen, ein kurzes Profilstück unregistriert abgeschossen werden. Auch das Einpflügen von Isotex-Sprengschnur mittels Caterpillarn wurde täglich problematischer. Bereits geschobene Pisten wuchsen zu Schlammströmen aus. Ein Weilchen noch schleppten unsere HanomagRaupen die Meßwagen von Meßstation zu Meßstation, dann war "Koumaga" am 19. 9. für 1974 abgeschlossen.

Die Arbeit ging im Raum von M'Bassou weiter, einem Geländestreifen zwischen Atlantik und Lagune. Etwas über 40 Profilkilometer waren dort zu leisten, zum Teil mit tragbarer Ausrüstung. Breite Savannengürtel zwischen den Sümpfen erleichterten hier das Vordringen trotz Regenfällen. Noch während dieser Arbeiten in M'Bassou erfolgte bereits der Sprung nach Vera, die Vermesser vorneweg. Das schwere Gerät kam später nach, genau am ersten Januartag 1975. Der Tanz auf den fünf Hochzeiten Vera, M'Bassou, Koumaga, Port Gentil und Gamba war perfekt. Am 12. Januar 75 fiel der letzte Schuß in M'Bassou. Die Schubarbeiten im Vera-Gebiet liefen zwischen dem 20. und 25. Februar aus. Ein Großteil der Fahrzeuge und Schubraupen ist bereits wieder in Koumaga Camp 3 eingetroffen und wird überholt für eine eventuelle Meßkampagne, vielleicht in Gabun oder anderswo.

So war der Stand der Dinge, als dieser Bericht an die Redaktion unseres PRAKLA-SEISMOS Report am 5. 3. 75 aus Port Gentil nach Hannover abging.

G. Keppner