PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 1973  
 
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im Kaiserpalast
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Unser Mitarbeiter, Dr. Gerhard Suhr, arbeitet z. Zt. in der "Deutschen Erdälgeologischen Beratergruppe" in Rangoon. Er wurde im Oktober 1970 im Rahmen des "Abkommen über Technische und Kapitalhilfe" -abgeschlossen zwischen der Bundesrepublik und den Regierungen der Union of Burma -von PRAKLA-SEISMOS dorthin abgestellt. Die Interessen der Bundesrepublik werden von der BfB wahrgenommen, die von Burma durch die "Myanma Oil Corporation" (M.O.C). Im Rahmen des Kapitalhilfeabkommens hat PRAKLA-SElSMOS die beiden Analog-Seismiktrupps, das Analog-Abspielzentrum und die Gravimetertrupps der M.O.C umfangreich ausgerüstet und zur Einarbeitung der burmesischen Experten mehrere Berater gestellt.

Die Hauptaufgabe von Dr. G. Suhr ist die Betreuung der seismischen Analog-Trupps und des Analog-Abspielzentrums. Er ist, salopp ausgedrückt, ein erfolgreicher"Troble-Shooter". Sein Arbeitsvertrag wurde auf Ansuchen der M .o.C von ursprünglich 3 Jahren auf 5 Jahre verlängert.

Die Redaktion

  China -Urlaub 1973

von Dr. G. Suhr

Durch die freundliche Vermittlung der chinesischen Botschaft in Rangoon bekamen meine Frau und ich im Juni 1973 ein Einreisevisum für die Volksrepublik China. Mit eindrucksvollen Stempeln in unseren Pässen bestiegen wir die Air-France-Maschine in Rangoon und landeten schon vier Stunden später in Shanghai. Wir rechneten damit, daß unser Gepäck gründlichst durchsucht würde, stattdessen erlebten wir die erste überraschung auf chinesischem Boden. Haben Sie schon einmal erlebt, daß Ihnen ein Zollbeamter sagt: "Nein, Sie brauchen Ihre Koffer nicht zu öffnen, Sie sind unser Gast, wir kontrollieren Ihr Gepäck nicht!?"

Durch ein Versehen wurden wir nicht, wie sonst üblich, am Flughafen erwartet. Da aber heutzutage in China niemand mehr verlorengeht, harrten wir geduldig der Dinge, die da kommen würden. Sie kamen in Gestalt eines freundlichen, englisch sprechenden und blau-uniformierten Beamten der Transportpolizei, der sich unser annahm. In wenigen Minuten hatten wir die unbedingt notwendige Reisegenehmigung in der Tasche, ein Dolmetscher des chinesischen Reisebüros stand zu unserer Verfügung und ab ging es in einer geräumigen Taxe des Typs "Shanghai" in die Stadt.

Die Reisegenehmigung ist ein wichtiges Dokument. In ihr wird der Reiseweg eingetragen und an jedem Ort bei der An-bzw. Abreise durch die Transportpolizei ein Stempel daraufgedrückt. Während früher der beantragte Reiseweg strikt eingehalten werden mußte, ist es heutzutage ohne weiteres möglich, durch die staatlichen chinesischen Reisebüros Abstecher von der geplanten Route genehmigt zu bekommen, auch brauchen Ein-und Ausreise nicht mehr am gleichen Ort zu erfolgen, wie noch vor einigen Jahren. Die allgegenwärtigen Dolmetscher des Reisebüros sind für den westlichen Reisenden von unschätzbarem Wert. Sie besorgen Eisenbahnfahrkarten, reservieren Flugzeugplätze, sorgen für Taxis, bestellen Tische in Restaurants, dienen als Reiseführer und -hauptsächlich -als unermüdliche übersetzer. Ihrer Hilfsbereitschaft verdanken wir es, daß wir trotz eines Ruhetages die "Dragon Weil Tea"-Kommune, eine Teeplantage, besuchen konnten und daß dort sogar eine "Notbesatzung" bereitstand, die uns die einzelnen Arbeitsgänge vorführte. Sie vermittelten uns die Besichtigung des Luftschutztunnelsystems in Peking, den Besuch bei einem Straßenkommitee und Gespräche mit Studenten und Dozenten der Universität Peking. Sie luden uns ein, Gast in einem Kinderpalast in Shanghai zu sein, und in Sian öffneten sich mit ihrer Hilfe, wie durch Zauberwort, geschlossene Türen zu Museen, Türmen und Pagoden.

Stadttor Nanking
Dr. G. Suhr mit Dolmetscherin
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Sie halfen uns, unter reger Anteilnahme der Bevölkerung, bei Einkäufen, und sorgten auf längeren Touren in vorbildlicher Weise für Getränke und Lunchpakete. Sie umgaben uns mit Fürsorge und mit Hilfsbereitschaft. Keiner von ihnen aber zwang uns zu irgendwelchen politischen Diskussionen, wie überhaupt politische Themen in diesem Jahr in China kleingeschrieben zu werden scheinen. Auf unsere direkte Frage hierzu sagte man uns wörtlich: " Früher zwangen besonders unsere jungen Kollegen westliche Besucher zu politischen Gesprächen. Wir haben eingesehen, daß das unklug war. Heute berühren wir diese Themen nur, wenn wir von unseren Gästen dazu aufgefordert werden". Solche Gespräche kann man vor allem mit den älteren Dolmetschern in sehr offener Weise führen. Die Dolmetscher sind die besten Anwälte ihres Landes.

Die Begleitung durch einen Dolmetscher ist aber kein Zwang. Er steht auf Wunsch zur Verfügung und so lange bereit, so lange man seiner bedarf. Man kann sich in den Städten völlig frei bewegen, kann die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen -wenn man die Sprachschwierigkeiten nicht scheut - und hat als Tourist nicht das Gefühl, überwacht zu werden. Auch auf längeren Reisen mit dem Flugzeug oder der Eisenbahn ist man allein. Der Dolmetscher begleitet den Reisenden bis zum Zug oder Flugzeug und am Ziel wird er vom nächsten (telefonisch verständigten) in Empfang genommen. Es ist eine Geste chinesischer Höflichkeit, die der Bequemlichkeit des Gastes dient. Apropos Bequemlichkeit: unser Gepäck spielte mit uns Swinegel und Hase. Wo immer wir hinkamen, das Gepäck war schon da! Es ging reibungsloser als bei einer gut organisierten Gruppenreise.

Oberhaupt die Verkehrsmittel: die chinesische Eisenbahn gehört heutzutage sicher zu den pünktlichsten der Welt. Zu den Klängen des Marsches: "Auf den Steuermann kommt es an" oder "Singe vom sozialistischen Mutterland" aus den Stationslautsprechern, läuft jeder Zug auf die Minute pünktlich ein und fährt ebenso pünktlich ab. Das Personal ist freundlich und um den westlichen Fahrgast bemüht. Der Koch des Speisewagens erscheint persönlich, um sich nach seinen Wünschen zu erkundigen.

Ich erinnere mich besonders gern an den Koch auf der Strecke zwischen Nanking und Peking. Er bereitete für uns ein ausgezeichnetes "europäisches" Essen und strahlte über sein ganzes Gesicht, als er unser Erstaunen und unsere Zufriedenheit bemerkte. Uns als "Ehrengästen" wurde außerhalb der gemeinsamen Abfütterungszeit serviert. Ein Ventilator, ein (abstell barer!) Lautsprecher, Blumen und stets heißer Tee im Abteil machten die Eisenbahnfahrt angenehm.

Ein Erlebnis ganz anderer Art ist das Reisen in den Flugzeugen der CAAC. Gibt es nicht genügend Sitzplätze, wird einfach ein Hocker in den Gang gestellt. Dem Anschnallen wird keine übertriebene Aufmerksamkeit gezollt, dafür aber werden ganze Schachteln Zigaretten gratis angeboten. Erfreulicherweise braucht man seine Mahlzeiten nicht im Flugzeug in drangvoll fürchterlicher Enge wie bei westlichen Fluggesellschaften einzunehmen ; sie werden bei Zwischenlandungen in einem Flughafenrestaurant serviert. Probleme bei der Wahl eines Hotels gibt es nicht. Je nach Nationalität, Zugehörigkeit zu Delegationen, ob Geschäftsreisender oder Tourist, Journalist oder Sportler, wird man in den Städten in einem bestimmten Hotel untergebracht, West und Ost sorgfältig voneinander getrennt. Vom gut geführten, weiträumigen Hotel aus den Dreißiger Jahren mit freundlichem, aufmerksamen Personal in Shanghai bis zum russischen Kolossalbau und (Ausnahme!) gleichgültiger, uninteressierter Bedienung in Canton reicht die Palette. Aber alle Hotels sind sauber. Handtücher, Seife, stets frischer Tee, ja selbst Hausschuhe, Kamm und Bürste gehören zum Service.

Erfreulich für den Touristen ist die Tatsache, daß China heute bemüht ist, die historischen Zeugen der Vergangenheit zu erhalten und zu restaurieren, getreu der Anweisung von Mao Tse Tung: "Macht die Vergangenheit der Gegenwart dienstbar". So kommt auch der Besucher auf seine Kosten, der nicht ausschließlich am modernen China interessiert ist.

Wenn auch in Peking die alten Stadtmauern und berühmten Stadttore der modernen Bauplanung weichen mußten, so blieben doch die bedeutendsten Kulturstätten erhalten. Leider waren alle großen Museen seit der Kulturrevolution noch geschlossen, aber die Große Mauer, die MingGräber, die Paläste und der Himmelstempel in Peking, das Sun-Yat-Sen Mausoleum und das Grab des ersten MingKaisers in Nanking, die Reste der alten Tang-Stadt in Sian sind sowieso fast mehr als man auf einer einmonatigen Reise bewältigen kann. Allein im Kaiserpalast in Peking, der früheren "verbotenen" Stadt, mit seinen zahlreichen Hallen und Höfen, mit den Ausstellungen und Gärten, kann man viele Tage verbringen und findet doch immer noch neue Schönheiten. Das gleiche gilt auch für den Sommerpalast.

Ebenso sehenswert ist die chinesische Landschaft. Sei es die Löß-Landschaft in Shensie mit den in die Steilhänge gegrabenen Wohnungen, ja ganzen Dörfern in zwei und drei Etagen, oder die typisch chinesische Reislandschaft um Canton, die Weizenfelder nördlich des Yangtse, die Gebiete der großen Seen und Kanäle des unteren Yangtse oder die Tee-Anbaugebiete südlich von Shanghai.

Eine Frage, auf die jeder westliche Besucher eine Antwort zu finden sucht, ist die, ob das heutige China den Anschluß an die industrielle Entwicklung der westlichen Welt gefunden hat oder ob es noch ein Entwicklungsland ist, wie die Chinesen selbst bescheiden behaupten. Die ständige Industrieausstellung in Shanghai spricht jedoch eine deutliche Sprache : Hier sind alle Industrieerzeugnisse ausgestellt, die in und um Shanghai hergestellt werden : Werkzeugmaschinen, Kraftfahrzeuge, elektrische Meßgeräte, Präzisionsinstrumente, Höchstfrequenzgeräte, je selbst integrierte Schaltkreise werden gebaut, von Armbanduhren, Kameras, Fahrrädern und anderen Konsumgütern wie wunderschönen Seidenbrokaten ganz zu schweigen. Blickt man jedoch in die Schaufenster der Geschäfte, dann stellt man fest, daß alles, was nicht zum Grundbedarf (wie z. B. Nahrungsmittel und einfache Kleidung) gehört, für chinesische Verhältnisse recht teuer ist. Ein Fahrrad oder eine Armbanduhr kosten das zwei-bis dreifache des Monatslohnes eines einfachen Arbeiters. Auch sind die Wohnverhältnisse trotz intensivem Wohnungsbau zumindest in den Städten noch weit unter westlichem Standard. Allerdings sollte man die Lebensbedingungen in China fairerweise nicht mit westlichen Maßstäben messen, sondern sie vor dem Hintergrund der Verhältnisse von vor 50 bis 60 Jahren sehen. Verglichen damit ist Erstaunliches erreicht worden; ob wegen oder trotz des Sozialismus, möge dahingestellt bleiben.

Ein Urlaub im heutigen China ist sicherlich keine Erholung. Er sollte auch nur von Leuten angetreten werden, deren Interesse an diesem Lande echt ist und die sich gut vorbereitet haben. Für diese wird er allerdings ein unvergeßliches Erlebnis sein.