Von der „Rundschau" zum „Report" - eine Werkzeitschrift im Wandel
PRAKLA-SEISMOS Report 3+4 / 79

Es muß nicht unbedingt ein Jubiläum sein, um eine Person oder eine Zeitschrift zu würdigen. Dr. R. Köhler, der den ,Report' zu dem machte, was er heute ist, hat sich in der letzten Nummer von seinen Lesern verabschiedet, Anlaß genug, die Entwicklung jener Zeitschrift nachzuvollziehen, die wir schlicht den ,Report' nennen und die für uns längst zur Institution geworden ist.

Report
Von der Rundschau zum Report
Die vier Gesichter unserer Zeitschrift
Von der Rundschau zum Report
Der ,Report' begann als sogenannte Werkzeitschrift. Er ist es bis heute geblieben. Ganz allmählich jedoch trat eine neue Komponente hinzu, die aus dieser Publikation so nach und nach auch eine ,Fachzeitschrift' werden ließ, die das Tätigkeitsfeld unserer Gesellschaft in seiner ganzen Breite ausleuchtet und widerspiegelt und die heute in vielen Ländern von den geopysikalischen Instituten der Universitäten zu Unterrichtszwecken herangezogen wird.

Die erste Nummer erschien Anfang 1958. Sie nannte sich PRAKLA-Rundschau. Dr. 0. Geußenhainer war von der Geschäftsführung mit der Schriftleitung beauftragt. In seinem Geleitwort legte er die Marschroute fest: Die Rundschau, ein innerbetriebliches Informationsblatt, notwendig geworden besonders durch die weltweite Auslandstätigkeit der PRAKLA, eine Art geistige Nabelschnur, die alle Firmenmitglieder über Kontinente hinweg verbinden solle. Als Ziel nannte er: ,,... selbst die trockenste Materieso populär und, wenn möglich, auch so humorvoll darzustellen, daß man die Zeitung jedesmal mit Spannung erwartet und sie auch gerne wieder einmal liest."

Dr. 0. Geußenhainer

Dr. 0. Geußenhainer

Die erste Rundschau-Nummer umfaßte 12 Seiten, Vor-der- und Rückseite mitgezählt. An Farbe gab es nur das ,PRAKLA-Grün' auf dem Titelblatt. Die Beiträge selbst hatten für die notwendige ,Farbe' zu sorgen. Das taten sie auch. Schon in der ersten Nummer waren die wesentlichsten Schwerpunkte gesetzt, wenn sich auch ihre Gewichtung im Laufe der Jahre verschob: W. Kohlruß beschrieb die „Reflexionsseismischen Seemessungen", A. Klopp mahnte zur „Vorsicht bei Sprengarbeiten" und E. Müller, G. Burmeister und H.-D. Sohnrey berichteten von ihren Erlebnissen in Japan, Syrien und Brasilien. Der ,technische Artikel' ist das tragende Element des ,Reports' g e w o r d e n, aber der Erlebnisbericht, der unsere Auslandstätigkeit beschreibt, ist dennoch ein Pfeiler geblieben.

Bereits in der 5. Nummer konnte Dr. Geußenhainer die begeisterte Aufnahme der Rundschau bei den Firmenangehörigen konstatieren. Aber da war noch ein Aspekt, der sehr früh ins Auge fiel und den wohl niemand vorausgesehen oder gar beabsichtigt hatte: auch unsere Auftraggeber entdeckten ihr Interesse an der 'Rundschau'. Sie waren der erste Block jenes Leserkreises, der uns heute veranlaßt, drei- bis viermal so viele'Reports' zu drucken, wie unsere Firma Mitglieder zählt.

Schon damals konnte man am Erscheinungstermin einer Rundschau-Nummer nicht gerade seinen Kalender eichen. Erreichte aber der genau abgezählte Stapel einen Außenbetrieb, legten dieTruppmitgliederdie Beine hoch und lasen die wenigen Seiten von vorne bis hinten — und wieder zurück. Unaufschiebbares wurde aufgeschoben. Grabesstille herrschte im Büro. Höchstens, daß einer vor sich hin seufzte, weil er gerne auch einmal den Amazonas längsgeschippert wäre oder einer Geisha beim Tanzen zugesehen hätte.

Die Jüngeren unter uns kennen Dr. Geußenhainer allenfalls dem Namen nach. Selbst uns ,Mittelalterlichen' ist meist nur noch ein unscharfes Persönlichkeitsbild in Erinnerung geblieben. Wärme und Menschlichkeit herrschen darin vor. Heute lebt Dr. Geußenhainer 87jährig in Köln. Einige Stationen seines Lebens sind Marksteine in der Geschichte der Geophysik geworden. Wie Dr. Ludger Mintrop, der Begründer der Angewandten Seismik, studierte und promovierte er bei dem großen Seismologen E. Wiechert in Göttingen. Am 1. Januar 1922 trat er der Seismos bei und leitete den ersten kommerziellen Seismik-Meßtrupp in der Geschichte, 1923 in Mexiko. Ein Jahr später gelang ihm in Texas der epochale Fund des Ölfeldes vom Orchard-Salzdom für die Gulf Production Oil. Die Seismik hatte zugeschlagen, erstmals in der Geschichte. Die Ölwelt stand Kopf. Die Konsequenzen folgten rasch, massiv und weltweit. Die Seismik wurde bald zum wichtigsten Schlüssel zur Erschließung des Erdöls und das Erdöl wiederum zum hauptsächlichsten Treibsatz der Weltwirtschaft und Industrie.

Dr. Geußenhainer hat die Pionierzeit der Seismos— und damit der Angewandten Seismik — in den ersten Nummern der Rundschau packend geschildert: die Anfänge in Mexiko 1923 (Nr. 6), in Texas 1924(Nr. 7) und in Persien 1927 (Nr. 23). Diese ,Rückblenden' machen diese Nummern unserer Firmenzeitschrift zu Dokumentationen und schließen nachträglich die Lücke der ungeschriebenen ,Reports'.

Mit Rundschau No. 10 übernahm Dr. R. Köhler die Schriftleitung. Das war 1960. Fast zwanzig Jahre hatte er diese Stellung inne. R. Köhler hatte an der Karls-Universität in Prag Geophysik studiert und mit der Promotion 'summa cum laude' abgeschlossen. 1938 trat er in die PRAKLA ein. Ab 1940 leitete er einen reflexionsseismischen Meßtrupp im Inland und im besetzten Ausland bis Kriegsende. Unter Lebensgefahr lagerte er eine seismische Apparatur von Berlin nach Otterndorf aus, die gleiche Apparatur, mit der die PRAKLA 1947 ihre Explorationstätigkeit wieder aufnahm. Er leitete den ersten PRAKLA-Meßtrupp nach dem Kriege und 1952 den ersten reflexsionsseismischen Auslandstrupp in Sizilien. 1954 berief ihn die Firmenleitung als Supervisor in die Zentrale nach Hannover. 1964 wurde er Leiter der Auswerteabteilung, nachdem bereits 1960 die Aufgaben des Redakteurs der ,Rundschau' hinzugekommen waren.

Dr. 0. Geußenhainer
Dr. R. Köhler
Dr. R. Köhler

Die Entwicklung der Zeitschrift erfolgte revolutionär, gelegentlich aber auch vorangebracht durch einschneidende Mutationen. Umfrageergebnisse enthüllten ein Informationsbedürfnis, was die technische Entwicklung anbetraf, obwohl der Ruf nach Auslandsreportagen unangefochten die Spitze hielt und wohl immer noch hält. Der Wunsch nach technisch-wissenschaftlicher Information war verständlich: Der Angehörige eines Meßtrupps, der nach zweijährigerAuslandstätigkeit für ein paar Tage in die Zentrale kam, um anschließend einen zweimonatigen Urlaub anzutreten, den er aber nicht zu Ende genießen konnte, weil ein neuer Einsatz ihn unversehens wieder auf einen anderen Kontinent verschlug, sah in der ,Rundschau' und später im ,Report' eine Informationsquelle, die verhinderte, daß die technische Entwicklung an ihm vorüberging.
Die Jubiläumsnummern 18 und 19 aus dem Jahre 1962, die zum 25jährigen Bestehen der PRAKLA erschienen und je 42 Seiten stark waren, gaben erstmals einen sehr umfassenden Überblick über Geschichte, Entwicklung und Stoßrichtung unserer Gesellschaft. Ab Heft 22 wurde aus der PRAKLA-Rundschau die Zeitschrift der neuen Gruppierung PRAKLA u n d SEISMOS und ab Heft 33 schließlich die PRAKLA-SEISMOS Rundschau mit dem neuen Firmensymbol, der Autokorrelationsfunktion. Bis Heft 41 blieb es bei dieser Gestaltung. Dann erfolgte die wohl markanteste Zäsur im Leben unserer Zeitschrift: Ab 1971 erschienen die wichtigsten wissenschaftlich-technischen Artikel neben deutsch auch in englisch. Der Name wechselte in ,Report', verständlich in den wesentlichsten Sprachen. Die erste Nummer dieser neuen Zeitrechnung, 1/71, feierte das 50jährige Bestehen der Seismos und damit auch der Angewandten Seismik, Grund genug für Dr. Köhler, diese Jubiläumsausgabe in einer englischen und deutschen Version von je 48 Seiten herauszubringen.

Der Umfang der Zeitschrift vergrößerte sich ständig. 1974 war ein Heft durchschnittlich 24 Seiten stark. Bis 1977 legte der ,Report' Jahr für Jahr genau eine Seite zu. (Prof. Th. Krey würde formulieren: Seitenzahl = Jahreszahl minus 1950.) 1978 erfolgte der Sprung auf 32 Seiten, irreversibel, wie es scheint.

Doch Seitenzahlen sind Äußerlichkeiten. Blättern wir die alten Hefte durch bis heran zur Gegenwart, so begreifen wir nicht nur das rasch Vergängliche der Zeit, sondern auch die Rasanz in der Entwicklung der Geophysik, wie sie sich in den Äußerungen einer Firma widerspiegelt, die von diesem Wissenschafts- und Wirtschaftszweig lebt: Da werden modernste Meßschiffe geplant, entworfen, auf Kiel gelegt, vom Stapel gelassen und von der Arktis bis zur Antarktis erfolgreich eingesetzt. Luftpulser verdrängen den Sprengstoff auf See. Die Vibroseismik mausert sich zu einem wesentlichen Instrument. Das Data Processing beginnt seinen Siegeszug, die Digitaltechnik beherrscht bald die Szene, Dekonvolution. Migration, dreidimensionale Prozeduren gehen Hand in Hand mit neuen Feldtechniken, angefangen von der Mehrfachüberdeckung bis hin zur flächenhaften Feldaufnahme. Die Aerogeophysik wird zu einem wichtigen Explorationswerkzeug. Jede Disziplin beansprucht und erobert ihren Platz. Das Wachstum der Firma drückt sich aus in Grundsteinlegungen: In der Eupener Straße kommt ein Gebäude hinzu. Eine ganze Fabrik entsteht in Uetze. Und schließlich wird der Wurf riskiert, der darauf abzielt, die über die Stadt verstreute Firma in einem Gebäudekomplex zu erzeinigen. Die Meßtrupps, als die eigentlichen Pfeiler unserer Gesellschaft, liefern Berichte aus allen Kontinenten, auch Bilder von großer Eindringlichkeit. Und gelegentlich erscheinen Fotos von Kollegen, die nicht mehr unter uns sind und die dennoch immerzu unsgehören werden.

Die Kontinuität im ,Report' personifiziert sich in der Person unseres Graphikers Kurt Reichert. Er hat schon die erste Rundschau ins Bild gesetzt und wird auch in Zukunft den ,Report' gestalten. Sein sicheres Raumgefühl und seine Gestaltungskraft formten den Rahmen unserer Zeitschrift, und seine federleichten Tuschezeichnungen halfen und helfen ihn auszufüllen.

K. Reichert

K. Reichert

Dr. R. Köhler hat sich in der letzten Nummer von seinen Lesern verabschiedet—weil man aufhören solle, wenn's am schönsten ist, wie er schrieb. Das Echo auf diese Verabschiedung war genau so herzlich wie auf die Meinungsumfrage. Und wenn in einem Brief aus Kanada zu lesen stand: "i feel i know you as an old friend..." so bedeutet dies weit mehr, als jede noch so wortreiche Laudatio auszudrücken vermöchte.

Dem Nachfolger erscheinen die Fußtapfen fast zu groß, in die er nun zwangsläufig steigen muß. Aber Leitlinien sind vorhanden, Prinzipien, die Dr. Köhler postulierte und an die er sich selbst mit großer Strenge hielt. Das wichtigste von allen: eine klare Diktion, nach dem Motto: Technische Abläufe sind verwickelt genug, nicht nötig also, sie kunstreich zu vernebeln! Andererseits sind die modernen Sprachen so differenziert, daß formulierbar sein muß, was sich nur irgendwie klar denken läßt -DAS WORT FINDEN, HEISST DIE SACHE SELBST FINDEN, meint Buffon.

Dr. Köhler schreckte vor nichts zurück, seinen ,Report' so lebendig wie nur möglich zu gestalten, auch vor ,Erpressungen' nicht. Gespräche haben stattgefunden wie das folgende: „Ich höre, Sie gehen nach Äthiopien? - Nun, da könnten Sie doch einen Ihrer notorisch spannenden Artikel für den ,Report' schreiben!?" Das ,notorisch spannend' fungierte dabei als Köderfischchen, das der Angesprochene schon geschluckt hatte, bevor ihm überhaupt eine Antwort einfiel. Immerhin veranlaßte die zu erwartende Arbeitsüberlastung den solchermaßen Überrumpelten, seine Zusage in ein ,Vielleicht' zu verpacken. Aber Dr. Köhler hielt es mit dem ,Vielleicht' seiner Autoren wie Casanova mit dem ,Vielleicht' einer schönen Frau: Für ihn hieß das ,ja!' Und versprochen war nun mal versprochen!... Die technischen Arikel, auf die er besonderen Wert legte, orderte er mit der gleichen Unerbittlichkeit unmittelbar nach oder sogar noch während der monatlichen Supervisor-Sitzungen, bei denen er nie fehlte, was ihn befähigte, den technischen Teil des ,Reports' auf den modernsten Stand zu bringen.

Bezeichnen Sie den Tennissport als Dr. Köhlers Hobby No. 3, so können Sie sich durchaus eine Zurechtweisung einhandeln. No.3 ist inzwischen dasAquarellieren geworden. Diese hohe Einstufung kann nur derjenige würdigen, der um die Tennisleidenschaft des Ehepaares Köhler weiß. Tennis also steht jetzt auf Rang vier, wenn es nicht durch die Musik, eineweitere Obsession, auf Platz fünf verdrängt wird. Es ist, als stünden die Hobbies Schlange... Aber daß die Hauptberufungen - Geophysik und Redaktion - unwiderruflich in den Hintergrund treten sollen, daran will niemand so recht glauben, der Dr. Köhler kennt.

Wie dem auch sei, wir, die breite Leserschaft 'seiner' Zeitschrift, statten ihm unseren Dank ab, wünschen ihm und seiner Frau Gutes und Bestes und soviel Kraft und Gesundheit, wie ein körperlich und geistig ausgefülltes Leben braucht.

G. Keppner