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oder
Eine nicht ganz alltägliche Reise
PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 78

Unter ANTARKTIS
Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
verstehen wir das Land- und Meeresgebiet rings um den Südpol. Es ist anders geartet als das Gebiet um den Nordpol, das bekanntlich eine riesige Treibeisfläche über tiefem Meer darstellt. Der Südpol liegt inmitten der großen Landmasse ANTARKTIKA, dem siebenten Kontinent unserer Erde. Eine ewige Eisdecke von etwa 4000 Meter mittlerer Mächtigkeit, die nur von völlig eisfreien hohen Gebirgen (höchste Erhebung 5140 m) durchstoßen wird, überdeckt zur Gänze dieses Land. Das antarktische Inlandeis ernährt große Schelfeisplatten, die sich mit Jahresgeschwindigkeiten von 450 bis 1500 m in das offene Meer hineinschieben. Bei Stürmen oder durch den Gezeitenhub brechen mit großem Getöse oft riesige Tafeln ab, die als „Tafeleisberge" (Dicke 300 bis 700 Meter) ins offene Meer treiben. Auf unseren Fotos sind solche Tafeleisberge zu sehen. Über den Gebirgsaufbau des Festlandes ist heute bereits einiges bekannt. Der Sockel besteht aus präkambrischem Gneis. Er ist von Sedimenten überlagert, die im Jura von basaltischen Lavamassen durchsetzt und in der Kreide gefaltet wurden. Im Tertiär wurde das 4100 m lange transantarktische Gebirge aufgetürmt, also zur gleichen Zeit, in der unsere Alpen entstanden. Erst im Pleistozän - vor 1,5 bis 2 Millionen Jahren - zu einer Zeit, in der sich der Mensch bereits rasch entwickelte, setzte die Vereisung ein. Das Klima von Antarktika kann als polares Wüstenklima bezeichnet werden. Im Winter (August) herrschen im Landesinneren Temperaturen bis zu -88° C; das macht diesen Kontinent zum lebensfeindlichsten unserer Erde. Im Weddelmeer hingegen, einem der beiden Arbeitsgebiete der EXPLORA, herrschen im Hochsommer (Januar/Februar) mittlere Temperaturen von 1 bis 2 Grad Celsius über Null. Das Weddelmeer gilt übrigens als das Seegebiet mit den weitaus schwierigsten Eisverhältnissen in der Antarktis. Wirtschaftlich gesehen haben - oder besser gesagt, hatten - die antarktischen Gewässer große Bedeutung wegen des Walfanges. In der Saison 1937/38 wurden 46 000 Wale gefangen! Nach dem Krieg ging der Fang stark zurück. Eine Schonzeit von mindestens 50 Jahren wäre erforderlich, wenn der Wal in der Antarktis nicht ausgerottet werden soll. Ein anderes Tier - sehr viel kleiner als der Wal - hat die Antarktis in den letzten Jahren ins Gerede gebracht: der Krill. Dieser unscheinbare Krebs von Streichholzlänge wird wahrscheinlich eines Tages für die menschliche Ernährung eine große Bedeutung als Eiweißlieferant erlangen, da er in unvorstellbaren Mengen die Gewässer um den Südpol bevölkert. Er hat sich allerdings der Verwertung bis vor kurzum widersetzt, da es schwierig war, seinen Panzer vom Fleisch zu lösen. Dieses Problem ist nun im Rahmen eines Forschungsprogrammes der Bundesregierung durch die Entwicklung einer gut funktionierenden Schälmaschine gelöst worden. Das Forschungsprogramm umfaßte auch die Aufgabe, aus dem gewonnenen Fleisch möglichst schmackhafte Gerichte herzustellen. Auch diese Aufgabe wurde gelöst und zwar ausgerechnet in einem Hotel in Hannover. Seit April 1978 werden hier - einmalig in Europa - verschiedene Krill-Gerichte angeboten. Diese Daten über den Südpol sollen zu dem Bericht überleiten, den der Fahrtleiter der EXPLORA, W. Krause, über die Antarktisexpedition geschrieben hat. Vermessungsingenieur W. Krause kam im März 1969 zur PRAKLA. Er war zunächst drei Jahre lang in der seismischen Auswertung tätig und ging dann als Navigator auf unsere Meßschiffe. Seit drei Jahren ist er Fahrtleiter auf M. V. EXPLORA.
R. Köhler

Im Rahmen eines internationalen Forschungsvorhabens wurde unser Vermessungsschiff EXPLORA von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe für eine Forschungsfahrt in antarktische Gewässer gechartert.

Die Expedition stand unter Leitung von Prof. Dr. K. Hinz von der Bundesanstalt. Sie diente dem Ziel, mittels seismischer, magnetischer und gravimetrischer Vermessungen, Grundlagenforschung über die Struktur der an das Festland Antarktika angrenzenden Seegebiete zu betreiben. Die Ergebnisse der Forschungsfahrt werden - sofern geeignet - als deutscher Beitrag in das „Deep Sea Drilling Project" eingebracht, das der Erforschung der Petrographie und Stratigraphie der Gesteinsschichten unter dem Meeresboden und der Erforschung der Sedimentation und der Bodenerosionen durch Meeresströmungen dienen soll.

Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
Vermessungsschiff EXPLORA zwischen zahlreichen dicken Eisschollen im antarktischen Weddelmeer

Am 8. Dezember 1977 liefen wir mit der EXPLORA von Bremen aus und fuhren mit fast 30 km/Stunde (mehr als 15 Knoten), über Rio Grande do Sul nach Ushuaia, dem südlichsten Hafen Argentiniens auf Feuerland und der südlichsten Stadt der Erde überhaupt. Wir bunkerten, nahmen Proviant und liefen nach drei Tagen, am 5. Januar 1978, zu unserer Forschungsfahrt aus.

Nach drei Tagen Überfahrt durch die Drake Passage hatten wir gerade 18 Stunden vermessen, als wir Eisberge und starkes Treibeis sichteten. Wir waren immerhin erst auf 61° Süd und 35° West, etwa östlich der Süd-Orkney Inseln! In Ushuaia hatte man uns erzählt, das Eis beginne erst viel weiter südlich. Auf diese Auskunft vertrauend, fuhren wir aber ruhig weiter. Doch plötzlich waren wir mitten drin im dicksten Eis! Ich glaube, so schnell haben wir unsere Meßgeräte noch nie eingeholt.

Einige Meilen weiter östlich versuchten wir den Vorstoß nach Süden noch einmal und jetzt klappte es. Wir konnten nun sehr weit nach Süden vordringen. Einige Tage später überfuhren wir auf der Suche nach freiem Wasser bereits den siebzigsten Breitengrad, allerdings ohne Kabel im Schlepp. Aber für uns war das schon ein tolles Ereignis! Wir arbeiteten uns langsam nach Osten vor. Zunächst war die Vermessung eines Teilgebietes der Wedell-See geplant, doch überall fanden wir eine Eisbedeckung von 4/8 bis 6/8 vor: an Seismik war also nicht zu denken. Immer wieder stellten wir fest: für alle Wetterstationen war eine Eisbedeckung von 2/8 bis 4/8 gleichbedeutend mit „freiem Wasser". Aber wie sollten wir mit einem Kabel von 2400 Meter Länge in solch „offenem" Wasser fahren?

Wir wichen also auf das ebenfalls vorgesehene Programm vor der Königin Maud-Küste aus. Zweimal gelang es uns, eine offene Passage zu finden, die uns nach Süden bis zum Eisschelfrand führte. Hier konnten wir sogar unser Kabel ausfahren und entlang der imposanten Küstenlinie des ewigen Eises unsere Vermessungen durchführen.

In diesem Gebiet gab es auch Pinguine und Robben. Während sich die Robben kaum stören ließen, waren die Pinguine ziemlich ängstlich. Nervös liefen sie von einem Eisschollenrand zum andern, oder sie liefen im Kreise, mit ihren Flügelstummeln aufgeregt schlagend, bis sie endlich den rettenden Sprung ins Wasser wagten.

Ein direkt am Eisschelfrand durchgeführtes Bootsmanöver fand bei der Besatzung der EXPLORA großes Echo. Wahrscheinlich lag das auch am herrlichen Sonnenschein. Fotografen und Schmalfilmer sahen ihre Chance. Wohlausgerüstet mit vielen Metern Film und zusätzlich mit den Kameras derjenigen, die zu ihrem Leidwesen zurückbleiben mußten, konnten Robben und Pinguine aus nächster Nähe geknipst und gedreht werden.

Ende Januar versuchten'wir noch einmal einen Vorstoß in die Weddell-See. Wir waren überrascht, wie sich in so kurzer Zeit die Eisverhältnisse geändert hatten. Wir trafen zwar hin und wieder auf große Eisfelder, die wir umfahren mußten, aber wir konnten unsere geplanten Profile einhalten.
Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
Während bisher die Sonne abends in einem riesigen roten Meer nur kurz verschwand um nach einer Stunde schon wieder aufzugehen, wurden jetzt die Tage deutlich kürzer, die Nächte dunkler und es schneite sehr oft und ausgiebig. Damit wurde auch die Navigation in den Eisschollenfeldern und Packeiszonen immer schwieriger. Die Eisschollen waren zum Teil so dick, daß wir mit Meßfahrt, also mit 6,5 Knoten, nicht ohne weiteres dagegen oder zwischen ihnen durchfahren konnten.



"Hau ab, Mensch"




Ständig Zickzack-Kurs zu fahren war natürlich nicht im Sinne einer vernünftigen Vermessung. Zudem fahren wir unsere Luftpulser in 10 Meter Abstand zu beiden Seiten des Kabels. Das Magnetometer wurde sogar in noch größerem Abstand seitlich des Schiffes gefahren. In kritischen Fällen klappten wir unsere Ausleger ein oder holten sogar eine ganze Luftpulser-Array-Seite ein, um besser manövrieren zu können.. Trotzdem hüpfte unser Magnetometer einige Male über Eisschollen. Bange Minuten für uns alle ... Wird es auch den Sprung über die nächste Eisscholle schaffen oder wird es abreißen?

Nicht selten kam es bei sehr schmaler Fahrrinne vor, daß sich Eisschollen unter die ersten Bügel einer LuftpulserArray-Seite schoben und die ersten Kanonen nach oben rissen. Luftschüsse von 150 atü waren die Folge. Gottseidank hielt aber unser laufendes Gut, Drahtseile und Abweiser, den Belastungen stand.

Leihweise hatten wir eine Wettersatellitenempfangsstation an Bord. Leider waren die Bilder so klein und der Abbildungsmaßstab teilweise zu verzerrt, um eine Eisinterpretation zu ermöglichen. (Laut „Antarctic Pilot" (Seehandbuch) werden auf Satellitenbildern nur Eisflächen ab 4/10 Bedeckung und Eisberge ab 11/2 Meilen Durchmesser erkennbar. Eine Navigationshilfe wären also auch größere Bilder nicht gewesen.)
Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
Eine russische Antarktis-Station brachte zweimal in der Woche über Faksimile eine Eiskarte heraus. Aber auch diese hatte für uns einen zu großen Maßstab. Nützlich wäre sicherlich ein Hubschrauber gewesen, um im ständigen Einsatz eisfreie Passagen auszumachen.

Wir haben auch manchmal das Eis regelrecht gesucht, nämlich dann, wenn wir schlechtes Wetter mit Windstärken von sieben bis acht hatten (Gottseidank kam das nur zwei-bis dreimal vor), denn die Eisberge und Treibeisfelder hielten die Dünung niedrig.




�Was halten Exzellenz von diesen komischen
Zweibeinern, die uns so plump imitieren?"

Am unproblematischsten war die Positionsbestimmung über Satelliten in Verbindung mit dem Sonar Doppler. Zu manchen Tageszeiten wurden wir wegen der Polnähe von Satelliten regelrecht erschlagen und wir mußten sogar wegen der häufigen Durchgänge eine gewisse Auswahl treffen.

Den südlichsten Punkt während unserer Expedition erreichten wir mit 74°12' Süd auf 27°18' West. Eine ähnliche Breite hatte 1823 der Engländer James Weddell erreicht. In einer Dokumentation über Antarktis-Reisen liest sich das so: "In February 1823, during a period when the water was unusually free of highly pressured pack ice, James Weddell in the `Jane' safely penetrated the dangerous sea which was to bear his name. He reached the record latitude of 74°15' S, but a strong wind change apparently kept his ship from reaching the Filchner ice shelf." Uns hinderten weder der Wind noch das Eis, aber unser Brennstoff ging zur Neige und die Zeit drängte, denn wir hatten noch einige wichtige Profile vor uns. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten wir vielleicht versucht, noch weiter nach Süden vorzudringen. Mit unserem modernen Schiff und den heutigen Navigationsmöglichkeiten wäre dies sicher möglich gewesen.

Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
Die Fotos wurden von W. Krause im Weddelmeer, aufgenommen. Das Foto oben links zeigt von links nach rechts: Schiffskapitän H. Wichels, Fahrtleiter und Verfasser der Reportage W. Krause, Expeditionsleiter Prof. Dr. Karl Hinz, von dem das Foto Mitte links stammt. Foto unten rechts: Diesen fast kitschig wirkenden Anblick genossen wir des öfteren.

Mit knapp 6000 Profilkilometern Seismik, Magnetik und Gravimetrie im Kasten kehrten wir dem Kontinent Antarktika am 6. Februar 1978 den Rücken.

Manch einer meinte zwar, für die nächsten Jahre genug Eisberge gesehen zu haben und ein anderer sagte, das müsse er nicht öfter haben, aber ich glaube, wenn es nächstes Jahr wieder in die Antarktis ginge, wären wieder alle dabei.

Auf der Rückfahrt nach Kapstadt wollte Expeditionsleiter Professor Hinz noch--die Bouvetinsel besuchen, um dort einige Gesteinsproben zu nehmen. Damit kamen wir zu einem einzigartigen Erlebnis.

Diese bemerkenswerte norwegische Insel, auf einer Breite von 54°28' Süd gelegen, wurde im Jahre 1739 entdeckt. Sie besteht gänzlich aus vulkanischem Gestein, das im Inselinnern unter einer dicken Eisschicht begraben liegt. Die Norweger hielten zeitweise eine Forschungsstation besetzt, ansonsten ist die Insel unbewohnt; durch die früher vorhandenen Lebensmitteldepots wurde sie häufig von Antarktisfahrern besucht.

Wir warfen also vor der Insel Anker und setzten mit unserm Schlauchboot über. Wir hatten zwar schon viele Robben und Pinguine gesehen, aber was uns jetzt erwartete, verschlug uns den Atem. Der Strand war mit Pinguinen, Robben und See-Elefanten vollgepackt. Die großen Elefanten machten bei unserer Annäherung nicht die geringsten Anstalten auch nur einen Meter ihres Bodens aufzugeben, so daß wir an einer anderen Stelle an Land gehen mußten.

Das Schlauchboot fuhr noch oft hin und her, denn keiner wollte sich die Gelegenheit, diese paradiesisch unberührte Tierwelt zu bewundern, entgehen lassen. Und darin waren wir uns alle einig: für uns war der Inseltrip ein krönender Abschluß unseres Antarktis-Einsatzes. Weddelmeer, Abenteuer Antarktis
Die Bouvetinsel steuerten wir auf unserer Rückfahrt nach Kapstadt an. Wir entdeckten ein Tierparadies

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�So ein Tag, so wunderschön wie heute ..."�Lassen Sie diese plumpen Annäherungsversuche,
Sie komischer Webmaster!”

W. Krause