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PRAKLA-SEISMOS Report 1 / 73

ein Bildbericht über Taufe und Stapellauf unseres neuen Forschungsschiffes
EXPLORA Stapellauf
Montag, 4. Januar 1973, Neumond. Geophysiker wissen, daß sich bei Neumond die Gezeitenwirkungen von Mond und Sonne addieren und daß deshalb eine Springflut entsteht. Der 4. Januar war also nicht zufällig zum Tag des Stapellaufs für unser neues Forschungsschiff EXPLORA gewählt worden, doch würde er überhaupt stattfinden können?

Seit Tagen hatten sich in Norddeutschland die Wolken auf die Erdoberfläche gesetzt. Der Nebel war stellenweise so dicht, daß man kaum 10 m weit sehen konnte. Wie sollte bei solchem Wetter das Schiff vom Helgen ohne Risiko in die stark befahrene Weser gleiten können? Daß dann trotzdem alles so gut klappte, ist wohl vor allem der mustergültigen Organisation durch die Elsflether Werft AG, Elsfleth, Weser, zu verdanken, die zum Stapellauf eingeladen hatte.
EXPLORA Stapellauf
Etwa 60 Gäste hatten sich um 13.45 Uhr im Konferenzzimmer der Werft eingefunden, wo sie von ihrem Direktor, Herrn Behrendt, begrüßt wurden. Einige Minuten nach 14 Uhr formierte sich der Zug der Gäste vor dem Haupteingang, an seiner Spitze Frau Annerose Lauffs und Direktor Behrendt.

Die Taufkanzel war groß genug, um alle Gäste aufzunehmen.

Nach einer kurzen Ansprache von Direktor Behrendt kam Dr. H. J. Trappe zu Wort:

"Dieses Schiff, dessen feierliche Taufe und Stapellauf wir heute miterleben dürfen, wird nach seine r Indienststellung eines der modernsten geophysikalischen Forschungsschiffe der Welt sein.

Die Erfahrungen der PRAKLA-SEISMOS aus 20 Jahren Seemeßtätigkeit auf allen Weltmeeren mit eigenen und fremden Schiffen, nicht zuletzt aber auch die Erkenntnisse, die wir mit dem Schwesterschiff PROSPEKTA sammeln konnten, kamen uns bei der Konzipierung dieses Schiffes und seiner meßtechnischen Ausrüstung zu Hilfe."

Nach Schilderung der nautischen und schiffsbautechnischen Besonderheiten der EXPLORA ging Dr. H. J. Trappe auf die meßtechnische Ausrüstung des Schiffes ein, wobei er besonders auf die modernen Instrumente für Seismik, Gravimetrie und Magnetik und das von PRAKLA-SEISMOS entwickelte computergesteuerte Navigationssystem INDAS hinwies.

Dr. H. J. Trappe erwähnte, daß auch für diesen Neubau eine Partenreederei mit der D. G. Neptun gegründet wurde und dankte für die gute langjährige Zusammenarbeit. Mit einem Dank an die Elsflether Werft für die gute Arbeit und an den Aufsichtsrat der PRAKLA-SEISMOS für die aktive Unterstützung bei der Realisierung des Projektes übergab Dr. H. J. Trappe das Wort an Direktor Willhöft, der das bevorstehende Ereignis vom Standpunkt des Schiffsreeders aus erläuterte.

Neben dem Helgen standen zwei Ampeln für rotes und grünes Licht. Das rote Licht war die ganze Zeit an und hätte nun eigentlich auf grün umspringen sollen, denn im Programm war jetzt der Taufakt vorgesehen. Aber nichts dergleichen geschah. Der von Direktor Behrendt wegen des Nebels eingerichtete Sicherheitsdienst war nicht in de r Lage Starterlaubnis zu geben.
EXPLORA Stapellauf
Also trat Herr Direktor Willhöft noch einmal an das Mikrofon, erläuterte kurz die Situation und nahm einen Teil seiner Rede vorweg, die er eigentlich im großen Sitzungssaal halten wollte. Die Spannung stieg zusehends, als endlich die rote Ampel erlosch und die grüne aufleuchtete.

Nun trat Frau Annerose Lauffs an das Mikrofon, sagte den Taufspruch, ergriff die Sektflasche und schleuderte sie mit mächtigem Schwung gegen den Schiffsrumpf, wo sie denn auch prompt mit lautem Knall zerplatzte. Dann drückte Frau Lauffs den Starthebel nieder und wieder geschah - nichts. Vier oder fünf bange Sekunden verstrichen, dann endlich begann das Schiff ganz langsam zu gleiten und vom Helgen abzulaufen.
EXPLORA Stapellauf
War es beim Taufakt das Gesicht von Frau Lauffs, das nach dem Zerschellen der Sektflasche besonders froh aufleuchtete, so war es jetzt das Gesicht von Direktor Sehrendt, das glücklich strahlte, denn die Schiffsbauer sind alle schrecklich abergläubische Leute (so sagte er).

Der Stapellauf war für die Zuschauer ein phantastisches Ereignis. Wegen des dichten Nebels verschwamm der mächtige Schiffsrumpf immer mehr und mehr und löste sich bald in Nichts auf, obwohl man ihn hätte noch lange sehen müssen.

Als feierlichen Abschluß des Taufaktes intonierte die Feuerwehrkapelle das Deutschlandlied und begleitete dann die Gäste vom Helgen zum großen Sitzungssaal der Werft.

EXPLORA Stapellauf
Und nun folgten wieder Ansprachen. Es gibt Leute, die schreiben können und solche, die reden können. Wenn man aber so gut reden kann wie Herr Dir. Behrendt und außerdem über soviel Humor verfügt, dann ist das Anhören einer Rede ein wahres Vergnügen. Es ist schade, daß wir diese Rede aus Platzmangel nicht im Wortlaut bringen können, aber einiges davon wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten:

Zunächst begrüßte Dir. Behrendt die Taufpatin als die wichtigste Person des Tages. Er sprach auch über seine Sorgen vor dem Stapellauf, über das nicht voll aufgelaufene Hochwasser, und seine Erleichterung, daß trotz der widrigen Umstände alles so schön geklappt hatte.

Ein historischer Abriß der Beziehungen zwischen Werft und PRAKLA folgte. Vor 14 Jahren tauchte Dr. H. W. Maaß auf und besprach den Umbau eines amerikanischen U-Bootjägers zur ersten "PROSPEKTA".

Dann stieß Dr. R. Garber zur Seeseismik. Insgesamt 28 Handelsschiffe wurden in Meßschiffe und Sprengstoffschiffe umgebaut. Dr. K. Dröge stöhnte unter der Last der Umbaukosten. Die Luftpulser wurden auf dem Werftgelände ausprobiert. Nach ihrem Einsatz fielen zum Leidwesen der Werft die Schießboote weg.

Dann trat die "Exekutive" der PRAKLA in der Person von F. Paul in Erscheinung: War er auf der Werft, hatten weder Meister noch Vorarbeiter etwas zu vermelden.

So bewirkte er, daß alles bereits gestern fertig wurde. Ihm war es angeblich zuzuschreiben, daß in einer Fernsehsendung über das Auslaufen eines umgebauten Schiffes der Reporter u. a. folgendes sagte: "und meine Damen und Herren, alle, die Sie dort mit einer roten Kravatte sehen, sind Werftangehörige; dadurch unterscheiden sie sich von den Reedereiangehörigen." Bei näherem Hinsehen erwiesen sich allerdings die roten Krawatten als die Zungen der Werftleute, die ihnen aus dem Halse hingen (so sagte Dir. Behrendt). Dir. Behrendt sprach dann auch über die Hektik der „Ölleute" und erzählte zur Verdeutlichung folgende Story:

Ein Erdölgeologe aus Hannover kommt in den Himmel. Er klopft an die Tür, Petrus öffnet und fragt: "nun mein Sohn, was hast du denn auf Erden getan?" " Nach Erdöl gesucht, lieber Petrus" "Ach du meine Güte, schon wieder einer! Hörst du den Krach dahinten?" sagt Petrus, " das sind alles Leute aus dem Ölgeschäft. Den ganzen Tag palavern sie lautstark über Fündigkeiten, Antiklinalen, stratigraphische Fallen, Bohrmeißel und was weiß ich noch mehr. Nein, mein Lieber, nichts zu machen." Der Mann aus Hannover überlegt eine Weile und sagt dann: " Petrus, läßt Du mich rein, wenn ich Dir diese Radaubrüder vom Halse schaffe?" " Na klar", sagt Petrus, "aber wie willst Du das denn machen? Der Geologe geht zur Tür des Himmelssaales, reißt sie auf und schreit: " Kollegen, soeben sind sie in der Hölle fündig geworden!" Da hob ein großes Rennen an, die Wolkenfetzen flogen und im Nu war der Saal leer" Oh, mein Sohn", ruft Petrus freudig aus, "das hast du wundervoll gemacht. Du sollst nun auch das schönste Zimmer im ganzen Himmel für Dich alle in haben. Komm tritt ein !" Petrus geht voran, doch niemand folg t ihm. Als er sich umdreht, sieht er auch den Hannoveraner rennen. Der winkt und schreit: " Ich fahre zur Hölle, vielleicht ist was Wahres dran!"

Zum Schluß feierte Dir. Behrendt die Taufpatin nochmals: " Die PRAKLA, die NEPTUN und die Werft sollten sich nichts einbilden. Ihr Beitrag zum Gelingen des heutigen Tages ist gering gegen die Tat der Taufpatin: sie hat das Schiff zum Leben erweckt."
EXPLORA Stapellauf
Als gerechten Lohn schmückte Dir. Behrendt den Arm der Taufpatin mit einer Kette, die er in der " Lehrwerkstatt" anfertigen und mit "Glassplittern" bekleben ließ. Dann folgte die Übergabe des Sektkorkens an die Taufpatin durch drei Zimmerleute. Ihr Sprecher las vor:

Meine sehr geehrten Damen und Herrn
die sie hierher kamen von nah und fern,
um heute beim Stapellauf dabei zu sein
zu dem die Werft sie lud ja ein.
Es sei uns erlaubt hier einzudringen
um unser Sprüchle in vorzubringen.
Wir drei sind von der Werft ein paar Zimmerleute
und erscheinen hier nach alter Tradition auch heute
um - der Taufpatin ein klein es Präsent zu bringen
und um ihr zu danken für das gute Gelingen.
Wenn wir auch vorher schon wochenlang haben
alles vorbereitet und die Ablaubahngeschmiert
so hat doch ihre Taufe erst alles zum guten Ende geführt,
denn erst nachdem sie es getauft, da begann es zu gleiten,
erst langsam, dann immer rascher und eh man sich versah
war das Schiff schon im Wasser.
'Nun liegt es schon wohl vertäut an der Pier
wir haben nun Zeit und sind darum hier,
denn bei der Taufe vorhin da konnte es uns gelingen
den Korken der zerschellten Flasche an uns zu bringen
und nach altem Brauch wurde er dann auf ein Brett montiert
und noch schnell mit ein paar Blumen und einem bunten Band geziert
so wird es gemacht schon seit den Jahren'
da die Schiffe aus Holz und noch zum segeln waren.
Mit dem Präsent schickt uns unser Meister her
um zu sehen ob das nicht gegen ein paar Taler einzutauschen wär.
Wir würden es Ihnen natürlich auch schenken doch lieber wäre es uns schon
Sie zahlten uns dafür einen klingenden Lohn.
So ein paar Mark wären bei uns in den besten Händen
und keine Angst, wir würden es nicht verschwenden
wir kauften uns dafür 'nen kräftigen Branntewein
und das erste Glas davon würde Ihnen gewidmet sein.
Wir würden ordentlich auf Ihr Wohl einen heben
und das möge Ihnen verhelfen zu einem noch langen und glücklichen Leben.
So nun habe ich auch genug gesprochen
und mir wird auch schon langsam die Kehle trocken,
den leitenden Herren hier möchten wir danken für das Vertraun
daß sie in uns setzten indem wir durften das Schiff für sie baun,
wir hoffen wir haben es so zustande gebracht
wie sie es sich haben im Still en gedacht.
Das neue Schiff möge alle Meere bereisen
und sich zum Wohle und Nutzen aller erweisen.
Der Besatzung stets glückhafte Fahrten und seinen Besitzern recht viel Gewinn
das sei auch in unseren Wünschen mit drin.
Ihnen allen jedoch noch ein paar schöne Stunden hier in Elsfleth heute
das wünschen Ihnen von der Elsflether Werft drei Zimmerleute

Zum Schluß dieses Berichtes seien Ausschnitte der Rede von Dr. R. Garber, des für die Seeseismik verantwortlichen Geschäftsführers unserer Gesellschaft, wiedergegeben, weil sie die vielfältigen Überlegungen, die dem Entschluß, die EXPLORA zu bauen, vorausgingen, sowie die Begründung für ihre zukunftsweisende Konzeption klar herausstellt.

Sehr verehrte Frau Lauffs, Herr Senator, meine Damen und Herren!

Wir haben vor 3 1/2 Jahren etwas Neues gewagt. Als wir seinerzeit daran gingen, die PROSPEKTA, das Schwesterschiff der heute vom Stapel gelaufenen EXPLORA zu konzipieren, waren wir uns sehr wohl darüber klar, daß diesem Unternehmen alle jene Risiken anhafteten, die demjenigen begegnen, der neue Wege geht.
EXPLORA Stapellauf
Alle bis zu diesem Zeitpunkt eingesetzten Schiffe, deren Aufgabe es war, in den Schelfgebieten dieser Erde, und womöglich auch darüber hinaus auf den Ozeanen, geophysikalische Messungen zur Erschließung von Erdöl-, Erdgas- oder auch Erzlagerstätten auszuführen, waren Fahrzeuge, die mit einem mehr oder weniger geglückten Umbau für derartige Arbeiten hergerichtet worden waren....

Die PROSPEKTA dagegen ist von Anfang an als Forschungsschiff für die angewandte Geophysik geplant und gebaut worden. Geplant vor allem - denn selbstverständlich haben wir vor diesem Unternehmen sorgfältige technische und wirtschaftliche Untersuchungen angestellt, um den Erfolg zu sichern. Aber derartige Untersuchungen sind naturgemäß nur so zuverlässig, wie die Voraussetzungen, Erfahrungen und Annahmen, die man in sie hineinsteckt.

Aber auch die Leistungsfähigkeit dieses Schiffes haben wir korrigieren müssen. Sie ist insgesamt beträchtlich besser als bei vorsichtiger Abschätzung aller bekannten Umstände angenommen worden war. Heute wissen wir, daß der Weg, für den wir uns damals entschieden haben, im Grundsatz richtig ist, nämlich

  • ein leistungsfähiges Schiff ohne Rücksicht auf die bei einem Umbau notwendigerweise unbefriedigenden Kompromisse zweckgebunden für die einmal gewählte Aufgabe zu bauen;
  • ein Schiff für den Einsatz auf allen Weltmeeren sowohl in arktischen Breiten als auch in den Tropen zu konzipieren, und es so schnell und von jedem Hafenkontakt soweit unabhängig zu machen, daß ein vernünftiges Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Reisezeit erzielt werden kann;
  • es weitgehend zu automatisieren und zwar nicht nur, um die Kosten, insbesondere die Personalkosten in tragbaren Grenzen zu halten, sondern insbesondere, um durch den Einsatz modernster Technik die Qualität unserer Arbeit zu verbessern und dabei dem Menschen diejenigen Arbeiten abzunehmen, die ihn körperlich belasten und ermüden.
  • schließlich ein Schiff zu bauen, das bei der schnellen Entwicklung der Meßtechnik noch in zehn Jahren als modern gilt, d. h. seine Grundkonzeption so flexibel zu halten, daß es den unweigerlich auf uns zukommenden Neuerungen angepaßt werden kann.
  • Am Ende seiner Rede bedankte sich Dr. R. Garber nicht nur bei der Taufpatin und bei Dr. Lauuffs, bei der D. G. NEPTUN und bei der Werft, sondern auch bei den Bauaufsichtsbehörden, dem Germanischen Lloyd und der Seeberufsgenossenschaft für das entgegengebrachte Verständnis und die Hilfe bei der Lösung der besonderen Probleme; er betonte, daß alle, die bisher an diesem Schiff mitarbeiteten, ein hervorragendes Beispiel für eine mustergültige Zusammenarbeit gegeben hätten.
    EXPLORA Stapellauf
    Ganz zum Schluß zwei Schnappschüsse von den beiden Mitarbeitern unserer Gesellschaft, die mit der EXPLORA die meiste Arbeit und die meisten Sorgen hatten, aber auch sicherlich die größte Befriedigung über den bisherigen Verlauf der Dinge. Voila:


    EXPLORA Stapellauf
    F/S EXPLORA hat am 25. April 1973 die technische Übergabefahrt absolviert und anschließend eine mehrtägige Testfahrt durchgeführt.
    Am 3. Mai 1973 fand bei schönstem Wetter eine wohlgelungene Gästefahrt von Kiel nach Travemünde statt, über die wir in unserer nächsten Folge einen Bildbericht veröffentlichen werden.