Report Datenbank php 7.x aufrufen Übergabefahrt "PROSPEKTA"
Rundschau Nr.40, 1970

Übergabefahrt SV PROSPEKTA
Übergabefahrt SV PROSPEKTA
Am 21. April 1970 lief die neue "PROSPEKTA" vom Stapel. Am 5. August 1970 wurde sie auf einer Fahrt von Hamburg nach Cuxhaven von der Werft D. W. Kremer Sohn um 15 Uhr an die Partenreeder PRAKLA und D. G. NEPTUN bei windstillem Wetter und strahlendem Sonnenschein übergeben.
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PRAKLA, D. G. NEPTUN und D. W. KREMER hatten eine Reihe von Gästen geladen, die sich im Laufe der Fahrt über die Anlagen und Ausrüstung dieses Forschungsschiffes informieren konnten.

Die neue "PROSPEKTA" ist das erste in Deutschland erbaute Spezialschiff, das ausschließlich für Aufgaben der Industriegeophysik vorgesehen ist. Auf dem Schiff sind modernste Instrumente für alle geophysikalischen Verfahren vorhanden, die sich auf der Hochsee anwenden lassen, vor allem die Reflexionsseismik sowie die Refraktionsseismik, die Magnetik und die Gravimetrie. Für die genaue Ortung und Navigation wurde ein Aufwand getrieben, der z. Zt. sicher nicht mehr überboten werden kann. Bei Tag- und Nachteinsatz wird durch ein neuartiges voll integriertes Navigationssystem erreicht, daß mittels eines Bordcomputers die Informationen von Navigationssatelliten, eines Sonar-Dopplers, eines EM-Logs und eines Kreisel- kompasses zu einer optimalen Ortsbestimmung zusammen gefaßt (integriert) werden. Soweit vorhanden, werden küstengebundene Navigationssysteme, z. B. Decca, zusätzlich mitbenutzt.

Alle gemessenen Daten werden digital aufgezeichnet. Schiffsbetrieb und Schiffsführung werden weitgehend von einem Navigationscomputer und einer Atomuhr automatisch gesteuert.
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Für die Reflexionsseismik werden die akustischen Impulse durch Batterien von Luftpulsern erzeugt. 30 dieser "Kanonen" mit einem Inhalt von 1/6 Liter bis 8 Liter sind an Bord. Für den Luftdruck von 150 atü sorgen zwei Diesel-Kompressoren. Das 2400 m lange Meßkabel, das auf einer 5 m breiten Winde am Heck des Schiffes (s. Abbildung) aufgerollt ist, enthält 1500 Hydrophone.

Die vorgegebene Lage des Kabels wird stabilisiert durch automatische Steuerbojen und kontrolliert durch die automatische Funkpeilung der Schwanzboje und durch die Kabeltiefe-Fernanzeige.
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Der Meßraum für Reflexionsseismik ist mit modernsten Apparaturen ausgerüstet. Zwei -digitale seismische Systeme DFS III mit je 24 Spuren und je zwei Magnetbandlaufwerken sind das Herzstück. Zur Überwachung des Meßablaufes und erster Darstellung von Meßergebnissen sind ein elektrostatischer Lichtschreiber mit 56 Spuren und ein Profil-Oszillograph mit 4 Spuren vorhanden. Auch die Wasserschall-Apparatur, die die Geschwindigkeit der seismischen Impulse im Wasser mißt, befindet sich in diesem Raum.
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Für die Gravimetrie-Messungen ist in der ruhigen Schiffsmitte ein Askania-Seegravimeter Gss 3 auf einer kreiselstabilisierten Plattform montiert. Die Störungen durch Schiffsbewegungen werden dadurch weitgehend automatisch kompensiert.
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Für die Magnetik steht ein Protonenmagnetometer "Geometrics" zur Verfügung. Es wird an einem Koax-Kabel in einer Sonde nachgeschleppt.

Über die Maße der PROSPEKTA wurde in der Nr. 37 unserer Rundschau in "Unser neues Schiff" bereits berichtet.

Wie ergänzen: Die Reichweite des Schiffes beträgt 12000 Sm, das sind 22200 km! Messungen können ununterbrochen während 3 bis 4 Monaten ohne Vorratsergänzung ausgeführt werden. Die Gesamtleistung der Schiffsmaschinen beträgt 3520 PSe.



Die Heizung und die Klimaanlage sind für extreme klimatische Bedingungen ausgelegt. Zur Erhöhung der Manövrierfähigkeit ist das Schiff mit einem Bugstrahlruder und einer WeIlenbremse ausgerüstet. Diese Bremse, die wie eine Scheibenbremse auf die Schiffswelle wirkt, fängt, nach Stoppen der Maschine, die Trägheitswirkung der Masse von Welle und Propeller ab und verkürzt dadurch den "Bremsweg" (Auslaufen des Schiffes) um ein Beträchtliches, was in Gefahrensituationen besonders wichtig ist.
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Die Schallisolierung auf der PROSPEKTA ist weitaus besser als im normalen Schiffsbau üblich ist oder gefordert wird. Auch bei auf vollen Touren laufenden Maschinen ist keine Vibration des Schiffes zu spüren.

Besonderer Wert wurde auf gutes Seeverhalten gelegt, d. h, das Schiff sollte eine gleichbleibende Stabilität aufweisen. Um dies zu erreichen, ist in der "Hamburgischen Schiffsbau Versuchsanstalt" ein Modell im Maßstab 1 : 10 gebaut und vielen Versuchen unterworfen worden. Das Ergebnis ist tatsächlich verblüffend. Ein Schiff mit solch hohen Aufbauten wie die PROSPEKTA neigt sich normalerweise bei hart Ruder Back- oder Steuer-bord bis zu 20 Grad. Als Dr. R. Garber auf Höhe von Elbe III einen entsprechenden Test durchführen ließ und das Schiff in voller Fahrt zwei "Haken" von 90 Grad in verschiedenen Richtungen schlug (bestens durch das Kielwasser zu beobachten), neigte es sich, von den Fahrtteilnehmern kaum bemerkt, nur um etwa 5 Grad.
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Über weitere Konstruktionsmerkmale, Ladekräne, Stark- und Schwachstromanlagen, zentrale Versorgungseinrichtungen (z. B. eigene Frischwasser-Erzeugungsanlage) nautische und funktechnische Ausrüstungen, elektronische Navigationsanlagen, Bord-Computer für Datenerfassung und Automation usw. ließe sich noch viel sagen. Abschließend soll nur noch etwas über die Räume und festen Einrichtungen berichtet werden:
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Die PROSPEKTA enthält 4 Wohnungen, 7 Einzelkammern, 11 Doppelkammern und ein Hospital mit zwei Betten, insgesamt 39 Kojen. Außerdem sind vorhanden: ein Oszillographenraum, ein Photolabor, ein Elektroniklabor, ein Computerraum, ein Gravimeterraum, ein Umformerraum, ein Büro, eine Maschinenwerkstatt, eine Montage- und Servicewerkstatt mit Laufkatze und Flaschenzug, ein Kompressorraum für zwei Hochdruckkompressoren, ein vorderer Laderaum von ca. 700 m3 mit drei Schächten für Sonar-Anlagen, zwei .Messen, ein Aufenthaltsraum, eine Wäscherei mit Trockenraum, Stores, die Küche und große Proviant-Kühlräume. All diese Einrichtungen und Räume wurden von den geladenen Gästen mit großem Interesse besichtigt. Viele Fragen wurden gestellt (nicht zuletzt von den Vertretern der Presse aus den norddeutschen Großstädten) und von unserem Fachpersonal beantwortet.

Programmgemäß legte die PROSPEKTA um 17.00 Uhr am Steubenhöfft in Cuxhaven an. Die Obergabefahrt war beendet. Die geladenen Gäste waren durchweg von der soliden Arbeit, die die Werft geleistet hatte und von der supermodernen Einrichtung des Schiffes stark beeindruckt. Allgemeines Urteil ein feines Schiff.

R. Köhler