Report Datenbank php 7.x aufrufen Flachwassermessung mit Hovercraft
Rundschau Nr.40, 1970

Flachwassermessung mit Hovercraft
Im Heft 35, 12. Jahrgang 1969 der PRAKLA-SEISMOS-Rundschau wurde über die historische Entwicklung in der Flachwasserseismik berichtet. Heute können wir ergänzend berichten, daß wir neue technische Möglichkeiten in den Dienst dieses besonderen Zweiges der angewandten Seismik gestellt haben.
Flachwassermessung mit Hovercraft
In einem Gebiet des holländischen Wattenmeeres mit vielfältigen Schwierigkeiten wurden im vergangenen Frühjahr Messungen unter Zuhilfenahme von Hovercraft durchgeführt. Hovercraft sind Fahrzeuge mit flachem Boden, dessen äußere Umrandung von einer Gummischürze umgeben ist. Die Antriebsmaschine ist ein Rolls Royce-Motor, der für die Aufrechterhaltung eines Luftkissens, unter dem Fahrzeugboden sorgt und der gleichzeitig den Luftpropeller antreibt. Auf dem Luftkissen schwebt das Fahrzeug. Seine Geschwindigkeit kann durch die Veränderung des Einstellwinkels der PropeIlerflügel kontinuierlich von 0 bis ca. 80 km pro Stunde über Wasser variiert werden. Über Sand oder trockenem Watt ist die maximale Geschwindigkeit bis 50% geringer.

Die Hovercraft, die uns zur Verfügung standen, können nur verhältnismäßig wenig Nutzlast transportieren. Aus diesem Grunde benutzten wir zwei, einen Hovercraft für die gesamte Meßeinrichtung und den zweiten zum Transport des Sprengstoffes, der Zünder, der Spülpumpen und -schläuche sowie des Grundkabels. Weder Laderaum noch Tragfähigkeit der Hovercraft waren ausreichend, den Streamer zu transportieren. Der Streamer mußte daher, wie sonst üblich, mit unserer Meßschute zum Profil gebracht und dort an den Hovercraft angehängt werden. In geeigneten Gebieten konnte der Streamer über Nacht , an Bojen verankert, draußen bleiben.

So günstig sich unsere Arbeit mit Hovercraft anließ, darf man doch die Grenzen ihrer Einsatzmöglichkeit nicht übersehen. Eine Beschränkung ist u, a. dadurch gegeben, daß der Wellengang nicht zu groß sein darf, insbesondere bei sehr kurzen Wellen. Zum anderen muß man bedenken, daß Hovercraft mehr fliegt als fährt. Das Fahrzeug ist daher sehr windempfindlich. Wollte man auf einem Profil mehr oder weniger senkrecht zur Windrichtung messen, so wäre die Abdrift zu groß. Insbesondere kann man daher mit Hovercraft nicht messen, wenn Wind und Strom nicht etwa gleiche oder entgegengesetzte Richtung haben, da, des Meßkabels (Streamer) wegen, auch nicht quer zum Strom gefahren werden kann. Um den Streamer innerhalb des vorgeschriebenen Feathering-Winkels zu halten, muß möglichst gegen den Strom gearbeitet werden. Beim Manövrieren des Hovercraft mit anhängendem Streamer ist ebenfalls sehr auf Wind und Strom zu achten, so daß das Manövrieren nur in sehr großen Schleifen geschehen kann. In Regionen mit Seezeichen und Wracks ist daher äußerste Vorsicht geboten, um zu verhüten, daß sich das Streamerende in diesen Hindernissen verfängt.

Der große Vorteil des Hovercraft für seismische Flachwassermessungen liegt darin, daß er von einer zentral angesetzten Basis aus schnell an alle Punkte des Arbeitsgebietes gelangen kann.

Das Personal ist nicht auf die Enge des kleinen Wohnschiffes angewiesen, sondern kann an Land übernachten. Wenn wegen ungünstiger Tide oder Strömung die Arbeit mit dem Streamer abgebrochen werden muß, kann häufig, noch in ein trockenfallendes Gebiet gewechselt werden. Da der Hovercraft Hindernisse bis nahezu einen Meter Höhe überfahren kann, ist er auch für Arbeiten in Poldergebieten mit Stacks und ganz besonders für Wasser-Land-Anschlüsse und Inselüberquerungen geeignet. Durch Auswahl geeigneter Zufahrten gelang es, mit ihm bis weit in die Dünen vorzudringen.

Um die Möglichkeiten, die der Einsatz von Hovercraft-Fahrzeugen bietet, voll ausnutzen zu können, war die Einführung einer weiteren technischen Neuerung erforderlich. Diese besteht in der Verwendung von sich selbstorientierenden Geophonen anstelle von Hydrophonen, die an das sogenannte Grundkabel wasserdicht angeschlossen werden. Auf diese Weise kann man in Gebieten, die bei Hochwasser nur sehr geringe Wasserbedeckung haben, nahezu unabhängig von den Gezeiten arbeiten, da es für diese Empfänger gleichgültig ist, ob sie vom Wasser bedeckt sind oder nicht. Der Hovercraft, der praktisch den Tiefgang Null hat , ist ebenso unabhängig davon, ob er über Wasser oder trockenes Watt gleitet.
Flachwassermessung mit Hovercraft
Wenn auch der Gedanke an einen 24-Stunden-Betrieb wie bei den Hochseemessungen in vorerst unerreichbarer Ferne liegt, so sind wir ohne Zweifel durch die Verwendung von Hovercraft in Verbindung mit den sich selbstorientierenden Geophonen technisch einen bedeutenden Schritt vorangekommen.

Dr. H. Rühmkorf