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Rundschau Nr.1, 1958
Reflexionsseismische Seemessungen
Wie Reflexionen an land "geschossen" werden, ist wohl allen Angehörigen unserer seismischen Trupps geläufig. Es dürfte aber nur wenigen bekannt sein, wie diese Reflexionen auf See erzielt werden. Ich möchte daher ganz kurz einen Einblick in die Technik und Arbeitsweise der Seeseismik geben.

Wir haben es mit drei Booten zu tun, die als Meßboot, Schießboot und Sicherheitsboot nach genau aufeinander abgestimmten Gesetzen auf unsichtbaren Linien zu Wasser operieren.

Das Meßboot, auf dem die Meßapparatur und alle Hilfsgeräte eingebaut sind, und von dem aus die gesamte Leitung der Messung durch Funk erfolgt, schleppt eine Empfangsanlage hinter sich her, die aus einem schwimmenden Kabelbaum (entsprechend dem Meßkabel an land) besteht, an dem in einer bestimmten Tiefe schwimmend Hydrophongruppen angeschlossen sind. Unsere Eigenkonstruktion, mit der seit 1951 alle bisherigen Messungen in der Ost- und Nordsee mit sehr gutem Erfolg ausgeführt wurden, ist 500 m lang und 12-spurig ausgelegt, während unsere neue amerikanische Vector-Anlage bei 24 Spuren eine länge von 850 m besitzt. Das Meßboot zieht die schwimmende Anlage langsam auf dem erwünschten Meßprofil vor und hält auf den jeweiligen Schußpunkten zur Aufnahme der Schüsse an. Dabei läuft das Schießboot in 100 m Abstand parallel zur Meßanlage und wirft genau gegenüber der markierten Mittelboje eine Sprengladung ins Wasser, die dann dort in einer bestimmten Tiefe schwimmend verbleibt, während das Schießboot zum Schuß noch 100 m weiter fährt. Von hier aus erfolgt der Schuß, sobald das Vorziehen der Hydrophonanlage beendet ist, und der Schuß an der richtigen Stelle im Wasser sitzt. Die Explosion der hierbei verwendeten, besonders angefertigten 20 kg-Ladungen erzeugt eine 30 - 50 m hohe imposante Wasserfontäne, die stets ein attraktives, viel fotografiertes Schauspiel, vor allem für unsere Besucher darstellt. Während aller dieser Operationen stehen sämtliche Boote - auch das an zugewiesener Stelle sich bereithaltende Sicherheitboot - ständig untereinander in Funkverbindung, mittels der nun auch der Schußmoment übertragen und alle Kommandos übermittelt werden.

Trotz dieser minutiösen Genauigkeit, die eine äußerst exakte Zusammenarbeit erfordert, ist eine zeitliche Schußfolge von durchschnittlich 4 Minuten normal einzuhalten, im Grenzfall sogar von 3 Minuten zu erzielen. Damit kann an einem einzigen Tage in günstigen Fällen die Schußleistung eines vollen Monats eines Landtrupps erreicht werden. Unser Rekord steht für die Ostsee auf 75, für die Nordsee auf 111 Schuß pro Tag.

Selbstverständlich, bedeutet eine derartige Leistung eine außerordentliche Beanspruchung der gesamten Mannschaft, ganz besonders dann, wenn die See nicht spiegelglatt ist, sondern gehörig ihre schlechten Seiten zeigt, so daß allein das "auf den Beinen-bleiben" auf den kleinen Booten für uns Landratten zu einem Problem wird. Aber dann zaubert uns die Natur zur Aussöhnung unvergeßliche Bilder vor, die uns wieder für alle Mühen belohnen.
Reflexionsseismische Seemessungen
Wie findet aber das Meßboot das ihm vorgezeichnete unsichtbare Meßprofil? Soll das Meßprofil in unmittelbarer Landnähe verlaufen, dann benutzt man Sichtpeilung von 2 Landpeilstationen aus. Dabei wird jeweils der Winkel zwischen den Peilstrahlen zum Boot bzw. zur Gegenpeilstation durch Funk dem Meßboot durchgegeben. Diese beiden Winkelwerte werden dort in einer Karte aufgesucht, in der das abzufahrene Meßprofil und ein entsprechendes Koordinatennetz eingezeichnet ist. Der Schnittpunkt dieser Winkellinien ist dann die Position der Boote. Damit ergibt sich die Möglichkeit, einem gewünschten Kurs zu folgen, bzw. Abweichungen durch entsprechende Schiffsmanöver zu korrigieren. Natürlich ist dieses Verfahren hinfällig, wenn jegliche Sicht fehlt.

Deswegen haben wir bei unserer letzten Messung in der Ostsee in diesem Jahr die „Decco-Navigation" erstmalig mit gutem Erfolg verwendet. Sie beruht darauf, daß die Laufzeitdifferenz der elektro-magnetischen Wellen von je 2 an Land befindlichen Sendern auf dem Meßboot mit Phasenmesser gemessen wird. Hierbei ist der geometrische Ort für gleichen Laufzeitunterschied innerhalb jeder Sendergruppe jeweils eine Hyperbel. Der Schnittpunkt der beiden entsprechenden Hyperbeläste stellt somit den Schiffsort dar. Mit diesem Verfahren kann auch völlig unabhängig von Sicht gearbeitet werden.

Eine unliebsame Begleiterscheinung bei den Seemessungen bilden die durch die Sprengungen verursachten Fischschäden, die uns schon viel Kummer bereitet haben. Sie lassen sich leider nicht vermeiden. Die Fischer und die Fischereibehörden stellen oft erhebliche Forderungen.

Allen diesen Widerwärtigkeiten zum Trotz aber bleibt die seismische Arbeit auf See - sofern man nicht dem Meeresgott zu leicht tributpflichtig ist - immer wieder ein erheben des Erlebnis, das für lange Zeit in unserer Erinnerung nachklingt.

W . Kohlruß