PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 1975  
 
VIBROSEIS in der Puszta  

Dr. L. Erlinghagen

Seit etwa zwei Jahren waren Gespräche mit Geophysikern der Ostblockstaaten -vor allem mit Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn -im Gange mit dem Ziel, das VIBROSEIS-Verfahren zu einem Test einzusetzen. Die ungarischen Geophysiker entschlossen sich schließlich, diesen Test in ihrem Lande durchzuführen. So kam Trupp Schwanitz zu einem der interessantesten Meßaufträge des Jahres 1974.

Gemessen wurde von Mitte November bis Mitte Dezember. Was hierbei besonders interessierte war die Eindringtiefe und die Anwendbarkeit des Verfahrens in kultivierten und stark bebauten Gebieten. Ein Vergleich mit Sprengseismik war möglich, da in dieser Gegend bereits früher gemessen worden war.

Alle Ostblockstaaten waren an dem Versuch stark interessiert und ihre Geophysiker besuchten unsern Meßtrupp mit großem fachlichen Einfühlungsvermögen.

Es war von vornherein klar, daß der Ungarn-Einsatz nur von kurzer Dauer sein konnte, denn für längere Meßperioden ergeben sich bei unsern östlichen Nachbarn wohl doch noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung der nötigen Devisen. Diese Messungen könnten jedoch einen Anreiz für den Ankauf von VIBROSEIS-Ausrüstungen aus den westlichen Ländern bringen.

Hier könnte vor allem die Erfahrung und die Kapazität der PRAKLA-SEISMOS im Vibrator-Bau (Straßenvibratoren und Cross-Country-Vibratoren) sowie in der Zusammenstellung der Meßapparaturen, Aufnahmeapparaturen, Generatoren für die Steuersignale, Feldstapier und Korrelatoren) zum Zuge kommen. Die Tschechoslowakei hat bereits die Zusammenstellung eines VIBROSEIS-Trupps und den Bau von Vibratoren bei uns in Auftrag gegeben; im März kamen Fachleute aus Prag zu uns nach Hannover, um in der Handhabung des Verfahrens geschult zu werden.

Doch nun zurück nach Ungarn. Dieses Land ist arm an Kohle und infolge seiner geographischen Lage auch arm an Wasserenergie, so daß es bestrebt ist, die vorhandenen Energiequellen, nämlich Erdöl und Erdgas, forciert auszubauen und deshalb den Untergrund geophysikalisch intensiv zu erforschen. Zwischen den Jahren 1965 und 1972 verdreifachte sich die Erdgasförderung, die Erdölforderung dagegen stagnierte und die Kohleförderung nahm um etwa 18% ab. Die Förderungszahlen des Jahres 1972 für die Kohlenwasserstoffe sind : Erdöl 2,0 Millionen Tonnen und Erdgas 4,1 Millionen Kubikmeter.

Unser VIBROSEIS-Trupp verbrachte den Großteil seiner Einsatzzeit in der Stadt Szeged und ihrer weiteren Umgebung, also in einem Gebiet, das man noch vor wenigen Jahrzehnten zur Puszta rechnen konnte. In den letzten Jahren wurde die früher wilde Weidelandschaft jedoch zum großen Teil kultiviert. Heute kann man nördlich und nordwestlich von Szeged kilometerweit durch den "Obstgarten" Ungarns fahren. Riesige Aprikosenplatagen befinden sich nördlich von Szeged mit der Stadt Kecskemet, dem Zentrum der Herstellung des berühmten Aprikosenbranntweins "Barack Palinka". Im Raum von Kalocsa erstrecken sich weite Paprikafelder. Nach der Erntezeit sind alle Häuser dieser Gegend mit Paprikaschoten bedeckt, die auf diese Weise getrocknet werden (Bild 1).

Paprika, soweit das Auge reicht!

Trotz der Kultivierung sind aber noch große Flächen vorhanden, die den Puszta-Charakter bewahrt haben mit friedlich grasenden Herden und Ziehbrunnen sowie einmalig schönen Sonnenuntergängen. Diese schöne Landschaft barg für unsere Straßenvibratoren aber auch Tücken, weil sie in den Schwemmsand-und Lehm-Ablagerungen hin und wieder stecken blieben (Bild 2). Nur mit unserem "Rettungsunimog" konnten sie dann wieder flott gemacht werden. Hier wären Cross Country-Vibratoren geeigneter gewesen.

Typisch für das Land: Während einer Messung am Abend kam ein Bauer mit seinem kleinen Sohn in den Meßwagen und redete mit einem Schwall freundlicher Worte auf uns ein, die wir leider ganz und gar nicht verstehen konnten. Während seines Sprachergusses nahm er seinem Sohn eine Flasche (wahrscheinlich selbstproduzierten) Wein aus der Hand und gab sie uns mit der Bitte - das konnten wir seinen Gesten entnehmen -mit ihm zusammen auf unser Wohl zu trinken. Wir kamen - immer mit einem Auge auf die Apparatur schielend-natürlich dieser freundlichen Aufforderung nach. Zwar war der Wein sehr, sehr trocken, aber was uns besonders beeindruckte war die impulsive Gastfreundschaft dieses einfachen Mannes.

  Vibrator -in der Puszta versackt Auftraggeber zu Besuch im Gelände
Auftraggeber zu Besuch im Gelände:
v.l.n.r.: Jänos Rümpler, Chef der Feldoperationen vom
Geofizikai Kutatasi Üzem, Truppleiter Schwanitz, Mieczyslaw Kaczmarczyk, vom Przedsiebiorstwo Geofizyki Gornictwa Naftowego.

Man muß sagen, daß unsere Mitarbeiter von den ungarischen Kollegen mit großer Herzlichkeit aufgenommen wurden. Die Herren Karoly Molnar, Janos Rumpier und Karoly Gado waren stark bemüht uns mit Ungarn und der Mentalität seiner Menschen bekannt zu machen. Sie zeigten uns Land und Leute und vergaßen dabei nicht, uns auch in Csardas einzuladen. Sicher denkt jedermann bei diesem Wort an den ungarischen Nationaltanz aber der ist nicht gemeint, sondern eine besondere Art von Gaststätten, wie man sie nur in Ungarn findet. Es sind Restaurationsbetriebe, die sich aus ländlichen Dorfschenken entwickelt haben und in denen man beim Klang einer Zigeunerkapelle preiswerte und wohlschmeckende Spezialitäten genießen kann. Wer jemals Gelegenheit hat in solch einer Kneipe zu essen, vergesse nicht, sich Pörkölt (Gulasch), Gulyas (mit Paprika gewürzte Rindfleischsuppe), Paprikahuhn, Halaszle (eine Suppe mit vielen verschiedenen Fischsorten mit Paprika scharf gewürzt) und ungarische Weine wie trockenen Tokajer, Grauer Mönch, Erlauer Mädchen und Erlauer Stierblut vorsetzen zu lassen.

Die Durchführung der Messungen wurde uns sehr erleichtert, da der Auftraggeber Kabel, Geophone und Hilfsmannschaften stellte. Der Alptraum, Fehlern in der Meßauslage bei feuchter Witterung nachzuspüren, wurde uns dadurch erspart.

In guter Zusammenarbeit mit unseren ungarischen Kollegen konnten alle anfallenden Probleme bei den Stadtmessungen in Szeged und Mak6 nach Plan gemeistert werden. Ein weiteres kleines Programm südwestlich des Balaton-Sees, nahe der Stadt Nagykanizsa, dem Verwaltungszentrum der Ölfelder dieser Gegend, konnte ohne wesentliche Schwierigkeiten abgewickelt werden.

Unsern Männern fiel der Abschied von Land und Leuten nach diesem Einsatz nicht leicht. Vielleicht hat er den Wunsch geweckt, dieses herrliche Land auch einmal im Urlaub aufzusuchen.