Report Datenbank php 7.x aufrufen Seismic im Hafen von Rotterdam
PRAKLA-SEISMOS Report 3 / 84

Seismic im Hafen von Rotterdam
Er nennt sich Europoort, und das ist er ja auch: der große Hafen Europas, der größte der Welt. Jeder kennt die Öl-Börse des Kontinents, bekannt als Rotterdamer Spotmarkt. Die Suche nach Erdöl und Erdgas ausgerechnet unter diesem Brenn- und Bezugspunkt des Big Oil-Business soll uns einen Artikel wert sein.

Seismik im Europoort, das kann nur heißen: eine kombinierte Land- und Flachwassermessung, die höchste Anforderung stellt an Organisations- und Improvisationsgeschick der Planer und Akteure und die, um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen, modernste Technik erfordert und bestes Material. Denn ein Hafen mit seinen Fahrrinnen, Becken und Molen, mit seinen verankerten und fahrenden Schiffen, seinen Bohrplattformen, Kran- und Gleisanlagen, Raffinerien, Lagerhallen, seinen Batterien von Öltanks zählt zu den seismikfeindlichsten Arealen, die sich denken lassen. Darüber hinaus öffnet ein Hafen von der Aktivität des Europoort den zahlreichen Arbeitsgruppen eines Seismiktrupps nur engbegrenzte Zeitspielräume, in denen sie operieren können; er bietet nur das eine in großer Vielgestaltigkeit und Stärke, nämlich ‚Noise'. Wenn es möglich ist, in diesem Hafen erfolgreich Seismik zu betreiben, dann ist Seismik überall zu machen auf dem Globus.

Die Messungen fanden Ende letzten Jahres bei relativ gutem Wetter statt. H. Käter leitete den Landtrupp, M. Kornagel die Flachwassereinheit VS FLUNDER, während E. Kreitz als Supervisor die Fäden in der Hand hielt. Die schriftlichen Berichte dieser Herren lieferten die Basis der nun folgenden Zusammenschau.
Seismic im Hafen von Rotterdam
Forderungen und Auflagen...
Forderungen zu stellen ist Recht und Pflicht der auftraggebenden Firmen. Im wesentlichen hat der Klient zwei Kriterien im Auge: gute Qualität zu erhalten, und das in großen Mengen, was im Klartext heißt: Qualität bei akzeptabler Kilometerleistung. In unserem Fall konkretisierten sich die Auftraggeberwünsche in folgenden Punkten:
  • eine vielkanalige Feldaufnahme mit großer Auslagenlänge bei kleinen Spurabständen sollte durchgeführt,
  • Unterschießungen mit längeren Offsets dabei vermieden und ein
  • möglichst hoher und gleichmäßiger Überdeckungsgrad erreicht werden; die
  • telemetrische Registriermethode sollte die zu erwartende starke 50-Hz-Einstreuung minimalisieren, und durch
  • möglichst starke Sendeenergie sollte dem von der Industrie, dem Verkehr, den Schraubengeräuschen manövrierender Schiffe erzeugten hohen Noise-Pegel begegnet werden.

  • Die Vorbereitungen für die Messungen begannen im Sommer 83. Ortsbesichtigungen und Besprechungen mit Vertretern des Auftraggebers und zahlreicher Behörden schlossen sich an. Die Zusammenarbeit mit den Behörden und Dienststellen - Hafendienst, Radarkontrolle Hoek van Holland, Distrikt Europoort, Traffic Center, Stadt Rotterdam, Brücken und Schleusen - , deren generelle und detaillierte Zustimmung eingeholt werden mußte und die auch während der Messung laufend zu kontaktieren waren, verlief problemlos.

    Natürlich hatten wir strenge Auflagen zu erfüllen:
  • Kein Auslaufen der FLUNDER bei Sichtweiten unter 1000 m
  • Anmeldung der Arbeiten zwei Stunden vor Beginn
  • Die FLUNDER zur Aufsicht der Kabel-Boote ständig zugegen
  • Keine Arbeiten auf den Gewässern ohne ein Begleitboot vom 'Havendienst'
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    Generell ist zu sagen: Der normale Schiffsverkehr auf den Wasserstraßen und im Hafen hatte absoluten Vorrang. Was dieses Postulat für unsere Arbeit bedeuten mußte, geht aus der Tatsache hervor, daß die Mehrzahl der Profile nicht weniger als vier Wasserstraßen im rechten Winkel kreuzten, von SW nach NE: das Brielse Meer, den Hartel-und Calandkanaal und schließlich den Nieuwe Waterweg (Neuer Wasserweg), die Hauptschlagader des Schiffsverkehrs.

    Im Norden schlossen sich Gärtnereien mit riesigen Treibhäusern an: was unsere Lanzen-Crews kaum sehr beeindruckt haben dürfte.
    Siehe REPORT 2+3/82 - Von Handbohrlanzen, Druckluftlanzen und Rammhämmern.

    M. Kornagel schreibt in seinem Bericht: "Die Behördenauflagen haben sich als realistisch und sinnvoll erwiesen und sind grundsätzlich befolgt worden - auch im eigenen Interesse".

    ...und die Mittel, sie zu erfüllen
    Es würde zu weit führen, Ausrüstung und Personalbestand der Land- und Seemeßgruppe detailgetreu zu schildern, wir wollen auch nicht die beiden Trupps getrennt agieren lassen, sondern sie als operative Einheit betrachten.

    Zu berücksichtigen galten
  • die Qualitäts- und Leistungsvorstellung des Auftraggebers,
  • die Auflagen der Behörden,
  • die speziellen Gegebenheiten und Tücken des Meßgebietes,
  • und natürlich auch die eigenen, in dieser Gegend bereits gesammelten Erfahrungen. Denn solche gab es:

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    So hatte Trupp Hengst schon vor längerer Zeit Streamer-Messungen im Hafen von Rotterdam durchgeführt, Trupp Dr. Koerfer eine VIBROSEIS-Messung im Stadtgebiet vorgenommen, und Trupp Ceranski mit Watergun-Messungen in der Maas östlich von Rotterdam die Tauglichkeit dieses Verfahrens in der Praxis erprobt.

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    Total Spread for one Shot or Pop

    Als Energiequellen waren vorgesehen:
  • Sprengstoff in gebohrten, gespülten und gelanzten Löchern an Land. (VIBROSEIS schied aus, da in den Raffinerien und chemischen Anlagen zu viele Rohrleitungen die Fahrmöglichkeiten einschränkten.
  • Ein möglichst großes Airgun-Array in Gewässern, die ein Navigieren der FLUNDER erlaubten.
  • Watergun-Schüsse in Wasserarmen, wo kein Airgun-Array ausgefahren werden konnte, z. B. im Brielse Meer. Der Zugang zu diesem Gewässer südlich vom Europoort war für unsere FLUNDER nicht passierbar. Die Wasserkanone, vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt und auf der gecharterten VS REDDER installiert, sorgte dafür, daß keine allzu großen Lücken in der Überdeckung entstanden.

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    Zur Datenregistrierung dienten zwei Sercel SN 348-Zentraleinheiten für synchrone Benutzung, die in zwei Meßwagen untergebracht waren. Auf der FLUNDER befand sich also keine seismische Apparatur. Das Schiff diente nur als Schießboot, läßt man die zahllosen Nebenfunktionen dieser Schalt-und Leitungsstelle außer acht, zog also auch keinen Streamer hinter sich her, was aus Raumgründen von vornneherein unmöglich gewesen wäre.
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    Als Aufnehmer für den Landbereich griffen wir auf die altbewährten SM-4-(10 Hz)-Geophone zurück . Die Verwendung von Marsch-Geophonen schied wegen zu großer Wassertiefe in den Hafenbecken und Fahrrinnen aus. Auch an Bojen aufgehängte Hydrophone hatten wegen zu starker Strömung, besonders aber wegen des ständigen Schiffs- und Baggerverkehrs, keine Chance. Für den Wasserbereich blieb also nur die Verwendung von an Grundkabeln angeschlossenen Hydrophonen übrig (obgleich die oft beträchtliche Wassertiefe - bis 28 m - eine Filterwirkung ausübt und zu einer teilweisen Auslöschung der Nutzenergie im bevorzugten Frequenzbereich führt).
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    Da die von den Hydrophonen empfangenen Signale zur Zeit nur analog und nicht digital via Grundkabel weitergeleitet werden können, mußten spezielle Stecker vorbereitet werden, um jedes Adernpaar der Grundkabel am Ufer in eine entsprechende Telemetriebox einzuführen, von wo aus die Signale dann in digitaler Form über Land zur Meßapparatur gelangten. Außerdem war die Möglichkeit zu schaffen, Telemetrie-Landauslagen zu beiden Seiten einer Fahrrinne über Repeaterboxen und Verlängerungen durch das Wasser hindurch miteinander zu verbinden. Dafür baute und entwickelte unsere Technische Abteilung wasserdichte Container für Repeaterboxen und zugfeste Verlängerungskabel mit Gewichten zur Beschwerung für große Wassertiefen. Nennenswerte Undichtigkeiten an Grundkabeln und Steckerverbindungen traten nicht auf.
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    Die Repeaterboxen und Verlängerungskabel blieben oft über zwei Wochen permanent im Wasser, für den Fall, daß sie für drei bis vier der benachbarten Profile benutzt werden konnten. Alles in allem standen uns für den Aufbau über 300 'Telemetrie-' und 140 'Grundkabel-Spuren' zur Verfügung. Damit mußten wir leben - und konnten es auch.

    Die Messung
    Am 17. Oktober begannen wir mit der Feldaufnahme. Die ersten drei Tage waren, zur Einstimmung, konventioneller Landseismik gewidmet. Am vierten Tag standen wir vor dem Mississippi-Hafen. Das Auslegen der Grundkabel in relativ ruhigem Gewässer stellte für die Flachwassermannschaft kein Problem dar. Wie oben beschrieben wurde das Grundkabei an den Telemetrie-Landaufbau angeschlossen, wobei die Anzahl der ausgelegten Hydrophongruppen mit der Anzahl der im 'Cluster' vereinigten Feldboxen natürlich identisch sein mußte.
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    Am 22. Oktober traf die FLUNDER mit Kapitän H. Tramborg am Ruder in Rotterdam ein. Für den nächsten Tag standen Testschüsse und Navigations-Checks auf dem Programm. Am 25. 10. erfolgte dann der erste 'produktive' Airgun-Schuß

    Das Ansteuern der Schußorte geschah mit Hilfe zweier TRISPONDER- Stationen, die auf beiden Seiten der Hafenbecken und Wasserwege das zu vermessende Profil markierten. Aufgestellt waren sie auf bereits topographisch exakt eingemessenen Schußpunkten. Die Schußpunktnummern, Schußzeiten, die Schußpunktentfernungen zu den beiden TRISPONDER-Stationen sowie die Wassertiefe wurden auf der FLUNDER auf Datenlogger festgehalten.
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    Wegen der meist starken Strömung konnte das Auslegen der Grundkabel im Nieuwe Waterweg nur bei Stauwasser erfolgen, d. h. wir hatten die Kenter-Punkte der Nordseeflut und -ebbe abzuwarten. Bei all diesen Arbeiten, und erst recht natürlich während der Messung selbst, war ein Boot vom 'Havendienst' in Sichtweite und hatte ein wachsames und sicherndes Auge auf den enormen Schiffsverkehr.

    Die Synchronisierung der beiden Meßapparaturen erfolgte problemlos mittels ZXDD. Der 'Abschießer' an Land bzw. der Airgun- und Watergun-Operator fungierte als 'Master', die beiden Meßapparaturen als 'Slaves'.

    Über die speziellen Probleme und Aufgaben, die unsere Seemeßgruppe zu bewältigen hatte, geben die hier gezeigten Fotos und Darstellungen nur sehr begrenzte Auskunft. Routine war das also nicht, was unseren 'Marines' abverlangt wurde. Aber auch die Mannschaften des Landtrupps hatten Heterogenes zu verkraften: Man drillte mit Unimog- Bohranlagen, spülte mit Wasser, lanzte mit Menschenkraft und Druckluft.
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    Die Vermesser hatten die Hafenbecken optisch mit der HP-Totalstation zu vermessen, Markierungsbaken für die FLUNDER zu setzen, Drainagerahre aufzuspüren, hatten Schußpunkte im dichten Leitungsnetz des Hafengebietes festzulegen, die seitlichen Offsets der Schußpunkte zu erfassen - und nebenbei die Landanteile der Profile einzumessen.

    Die Meßtechniker in den beiden Meßwagen hatten sich untereinander abzustimmen, die Schußauslösung der Wasserkanone zu überwachen, die Schüsse der FLUNDER auf's Band zu bringen - und nebenbei die Landschüsse zu registrieren.

    Die Kabelmannschaft mußte, zusätzlich zum Landaufbau, auch die Wasser/Land-Anschlüsse herstellen.

    Und der Feldleiter, gestreßt wie keiner, hatte alle Hände voll zu . tun, sämtliche Operationen unter einen Hut zu bringen.
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    Ein dreifaches Schlusswort
    E. Kreitz: "Die Operation im Hafengebiet von Rotterdam verlief besser als erwartet, dank der intensiven Vorbereitungen und dank der Einsatzfreude des Personals. Die einzigen Schwierigkeiten traten dadurch auf, daß mehrere Grundkabel beschädigt bzw. zerstört wurden und neu ausgelegt bzw. ersetzt werden mußten. Die Ursachen hierfür: Baggerarbeiten, Aufscheuern des PVC-Mantels an den scharfen Steinen der Uferböschung und vielleicht auch gelegentliche Kappung durch Schiffsschrauben. Anzunehmen ist, daß durch die Turbulenzen, die ein fahrendes Großschiff erzeugt, die Grundkabel trotz Bleibeschwerung hochgewirbelt wurden und in die Schiffsschrauben gerieten. Die Kabel mit noch größeren Bleigewichten zu beschweren, hätte die kabeleinholende Schlauchboot-Mannschaft körperlich überfordert.
    Für zukünftige Messungen dieser Art sollten mechanische Auftrommelmöglichkeiten auf größeren Beibooten geschaffen werden."

    H. Käter: " Nach 'normalen' Anlaufschwierigkeiten und nach exakt 50 Meßtagen war das Programm einen Tag vor Heiligabend abgeschlossen. Beschwerden der Hafenbehörden, der Bewohner oder der Verantwortlichen von Ölterminals und Raffinerien sind uns nicht zu Ohren gekommen. Die seismischen Ergebnisse waren überdurchschnittlich gut. Ist es dann vermessen, von einem Erfolg der Operation zu sprechen?"

    M. Kornagel: " Dieser Auftrag hat jedenfalls bei allen Beteiligten einen bleibenden Eindruck hinterlassen."

    Wir hoffen einen positiven!
    Die Redaktion