Report Datenbank php 7.x aufrufen Mit FS „Sonne" unterwegs
eine wissenschaftliche Kreuzfahrt im Pazifik
PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 79

Hans DOSTMANN, der Verfasser des folgenden Beitrages, trat nach seinem Studium in Würzburg und Heidelberg 1964 unserer Gesellschaft bei, wo er in der Interpretationsabteilung eingesetzt wurde. Als erfahrener Wissenschaftler arbeitete er seitdem für eine ganze Reihe deutscher und internationaler Auftraggeber. Nur selten kommen Auswerter von PRAKLA-SEISMOS jedoch zu einem Einsatz, wie er im folgenden Bericht mit Einverständnis der BGR beschrieben wird.
Mit FS SONNE unterwegs



Die „Sonne" vor Anker in Suwa, Fidschi


Den 16-Stunden-Flugtrip von San Francisco nach den Fidschi-Inseln auf einer Backe abzureiten, ist selbst für einen routinierten Geo-Trotter keine Kleinigkeit. Zum Glück erlaubte uns der Fahrplan, auf Hawaii die Reise für 48 Stunden zu unterbrechen. (Ein Geologe, der diese Chance ungenutzt verstreichen ließe, befände sich wohl auf dem falschen beruflichen Geleise.) Jetzt sahen wir also mit eigenen Augen, was man sonst nur auf dem Bildschirm sieht, wenn überhaupt. Wir klapperten die „Große Insel" ab, kraxelten an den Flanken des aktiven Kilauea-Vulkans herum, wateten im berühmten schwarzen Sand der Insel, fanden die Rainbow-Wasserfälle tatsächlich bunt wie das Leben und ließen uns neben den „Lavabäumen" fotografieren, als hätten wir sie gerade erst mit eigenen Händen aus dem Stein gehauen.

Suva auf Fidschi sollte man hingegen zu einer anderen Jahreszeit besuchen, nicht ausgerechnet im Oktober. Wir hatten jedenfalls nur Regen, und den kannten wir noch vom letzten Sommer aus Deutschland her. Auf Fidschi lebt ein freundliches, lebenslustiges Völkchen. Es bleibt zu hoffen, daß der Tourismus noch lange Zeit einen großen Bogen um die Insel schlägt. (Egoismus eines ohnedies vom Glück Begünstigten! Die Red.)

Natürlich waren wir nicht hier, um Land und Leute zu besingen. Dazu hätten wir auch keine Zeit gehabt, denn mit einem Tag Verspätung tauchte sie dann auf, unsere „Sonne", von Tahiti kommend, mit einer Reihe Wissenschaftlern der Universität Aachen an Bord. Es wurde „ernst".
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�Lavabäume" auf Hawaii. Die von Basalt umkrusteten Bäume starben ab


Für eine Zeitspanne ab Mitte Oktober hatte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie das Forschungsschiff „Sonne" gechartert. In Zusammenarbeit mit dem Bureau of Mineral Resources (Canberra), dem Department of Scientific and Industrial Research (Wellington) und dem Geological Survey of Papua New Guinea (Port Moresby) sollten in verschiedenen Fahrtabschnitten geologische und geophysikalische Untersuchungen im Südpazifik und im Shelfbereich vor der australischen Küste durchgeführt werden. An dem ersten Abschnitt vom 19. 10. bis 15. 11. 1978 unter der wissenschaftlichen Fahrtleitung von Dr. K. Hinz und der seemännischen Führung von Kapitän J. Ehle nahm ich teil. Unsere Aufgabe bestand in geophysikalischen Vermessungen im Bereich der untermeerischen Lord-Howe-Erhebung (Lord Howe Rise).


Stricklava und Basalttunnel auf Hawaii





Doch bevor wir Anker lichten, möchte ich - schon um unsere Seeseismiker nicht zu vergraulen - erst das Schiff kurz vorstellen, dem wir uns anvertrauten:

Ihre Bewährungsprobe bestand die „Sonne" im Frühjahr 1978 bei einer Erzschlammprospektion im Roten Meer. Alle Systeme konnten dabei intensiv und mit Erfolg getestet werden. Die „Sonne" ist das jüngste Kind in der Flotte der Reedergemeinschaft Forschungsschiffahrt GmbH, Bremen, die ihre Schiffe für weltweit betriebene geowissenschaftliche Meeresforschung verchartert. Für den Kenner ein paar technische Details vorweg. Das Schiff wurde 1969 als Hecktrawler gebaut und 1977/78 zu einem Mehrzweck-Forschungsschiff umgebaut. Die Abmessungen: 2607 BRT; 1263 NRT; 3865 t Verdrängung; 86,5 m Länge ü. a.; 14,2 m Breite; Die 4 x 1000 Pferdestärken (4 x 735 kW) der Hauptmaschine lassen eine Reisegeschwindigkeit von 13 Knoten zu. Die äußeren Abmessungen sowie die Tragfähigkeit und die Bunkerkapazität sind so ausgelegt, daß alle der Meeresforschung dienenden Disziplinen wie Geologie, Geophysik, Geochemie, physikalische und chemische Ozeanographie, Planktonologie, Mikrobiologie, Meereszoologie sowie alle die Fischerei betreffenden Forschungsvorhaben durchgeführt werden können.
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Polizisten in Suwa auf Fidschi








Nach dieser Abschweifung zurück nach Suva auf Fidschi. Das Schiff war also eingetroffen, aber noch nicht alle wissenschaftlichen Geräte der BGR. So fehlte noch die seismische Digitalapparatur. Schließlich war auch sie noch rechtzeitig zur Stelle, trotz diverser Streiks längs ihrer Route, einem veritablen Schiffsbrand und einem 300 km langen Landtransport auf schlimmer Piste. Am 19. Oktober legten wir die Leinen los. Aber Suva wollte sich noch nicht von uns verabschieden: Ein Maschinenschaden in gefährlicher Nähe des Korallenriffs lehrte uns das Fürchten und kostete einen ganzen Reparaturtag. Endlich, am 20. Oktober - die Sonne meinte es wirklich gut mit unserer ,,Sonne" - dampften wir in Richtung Lord Howe Rise davon.

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Der offensichtlich über die Störung verärgerte Autor während seiner Interpretationsarbeit auf der „Sonne"











Leider zeigte sich die Südsee bald von ihrer wetterwendischen Seite. Die frischgebackenen Seeleute unter uns fanden das Rollen und Stampfen des Schiffes gar nicht mehr erheiternd. Die Routiniers behaupteten, mit der „Sonne" wäre dieser Trip das reinste „Kaffeesegeln". Zum Glück hatten wir Arbeit genug. Aufbau der Airgun-Arrays, Justieren des Streamers und Funktionstests der seismischen Apparatur ließen wenig Zeit für Nabelbeschau und Selbstmitleid.

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Kurze Arbeitspause an Deck





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Seeberg "Sonne", etwa 2200 m über den Meeresboden aufragend








Die wissenschaftliche Aufgabe im ersten Teil des Fahrtabschnittes läßt sich in zwei Teile gliedern und wie folgt beschreiben: Einmal sollte die Tiefe des kristallinen Untergrundes im Bereich der Lord-Howe-Erhebung, die als ein von Australien abgespaltenes Kontinentalfragment betrachtet wird, bestimmt und zum anderen die Ausbildung des wahrscheinlich im Rift-Stadium angelegten Middleton-Lord Howe Beckens sowie Mächtigkeit und innere Struktur der Beckensedimente erforscht werden.
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Bathymetrische Übersichtskarte mit 1000 m-Konturlinien und Route der „Sonne". (nach N. Z. Oceanograph. Inst. Chart, Miscellaneous Series, 15, 1976)









Unsere gravimetrischen, magnetischen und bathymetrischen Messungen liefen schon von Beginn der Reise an. Die digitalseismischen Registrierungen starteten wir am 24.10. nach Erreichen des sogenannten Norfolk-Beckens. Gleich am ersten Meßtag enthüllten die Registrieranlagen einen bis dahin noch unbekannten Seeberg, der etwa 2200 Meter über den Meeresgrund hochragt und den wir erst einmal zum „Sonne-Seamount" machten. Mit FS SONNE unterwegs
Ausgewertete seismische Sektion über Dampier-Schwelle, Lord-Howe-Becken und Lord-HoweErhebung. (Auswertung durch Wissenschaftler auf dem Schiff)

Die seismische Registrierung erfolgte mit einer Digitalapparatur (in Verbindung mit einem 2400 m-Streamer) simultan mit einer Analogapparatur (in Verbindung mit einem 50 m-Streamer). Die Ausspielungen von Monitorprofilen - mit beiden Apparaturen möglich und auch durchgeführt - erlaubten eine sofortige, wenn auch vorläufige Auswertung.

So konnten alle wissenschaftlichen Fragen unmittelbar „vor Ort" mit unseren australischen Kollegen diskutiert werden. Ab 15 Uhr herrschte in der Fahrtleiterkammer jedesmal ein mittleres Gedränge, wenn die Seismiker unter uns ihre geschulten Blicke über die noch druckfeuchten Profilschnitte wandern ließen. Für definitive Ergebnisse ist die Zeit natürlich noch zu früh. Einiges läßt sich allerdings schon jetzt erkennen: An der Westflanke der Lord-Howe-Erhebung wurde ein kompliziertes System von Gräben und Horsten gefunden, vergesellschaftet mit vulkanischen Intrusionen. In einigen Profilen lassen sich deutlich einige Diskordanzen, vermutlich spätkretazischen und tertiären Alters, unterscheiden. Ist eine davon die postulierte breakup-un-conformity? Und wo sind die Sedimente, die vor deren Entstehung abgelagert wurden? Warum sind einige der Basement-Strukturen in den gravimetrischen und magnetischen Messungen nicht erkennbar? Keine dieser Fragen konnte an Bord endgültig geklärt werden. Immerhin waren die Diskussionen so ergiebig, daß die hierbei gewonnenen Anregungen weiterwirkend der endgültigen Interpretation, nach dem Processing der seismischen Sektionen, zugute kommen dürften.

Der Schichtbetrieb, der die 22 Techniker und Wissenschaftler in einem 4-Stunden-Rhythmus in Bewegung hielt, hatte sich bald eingespielt. Trotz zum Teil schlechten Wetters und technischer und apparaturbedingter Schwierigkeiten konnten wir mit den Ergebnissen zufrieden sein. Die Matrosen der „Sonne" packten kräftig mit an, wann immer wir ihre Hilfe brauchten. Mit FS SONNE unterwegs
Altes und Neues in Brisbane, Australien Contrasts in Brisbane, Australia

Ein Wort noch zum Wetter. Die Südsee hatten wir uns eigentlich anders vorgestellt. „Schwere achterliche See" oder „rauhe See mit Dauerregen" stellen Wetterbeschreibungen dar, die uns eigentlich aus der Nordsee bekannter sind. Und doch stehen sie häufig im Fahrtbericht dieser Reise. Erst gegen Ende der Forschungsfahrt, als das Schiff auf Australien zudampfte, zeigte sich der Südpazifik doch noch von einer besseren Seite.

Nach einer Fahrt, die 4 Wochen dauerte und die uns eine Strecke von 5500 km überbrücken ließ, landeten wir planmäßig am 15.11.1978 in Brisbane, Australien.

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1 Mythologisches Fabelwesen aus dem Tiger Balm Garten, Singapur
2 Baumblüte im Botanischen Garten von Singapur
3 Markt im chinesischen Viertel von Singapur
4 Mädchen aus Singapur
5 Ostküste Grönlands mit eisbedecktem Fjord
6 Basalt in der Caldera des Kilauea, Hawaii

H. Dostmann