Report Datenbank php 7.x aufrufen PILOT
Ein kompaktes Satellitennavigationsgerät
PRAKLA-SEISMOS Report 1 / 79

Das rund 50 km nordwestlich von Hannover gelegene Steinhuder Meer war im Jahr 1978 einige Tage lang nicht nur das Ziel von Ausflüglern und Freizeitsportlern. Die PRAKLA-SEISMOS hatte ein Schiff gechartert, um Versuchsfahrten durchzuführen: Nach einer gründlichen Testserie im Labor sollte sich das neu entwickelte Satelliten-Navigationsgerät PILOT im ersten mobilen Einsatz bewähren.

Unser Ziel war, die erwartete höhere Genauigkeit bei der Schiffspositionsbestimmung mittels Satelliten auch bei Verwendung von extrem schlechten Fahrt und Richtungs-Sensoren nachzuweisen, denn eine exakte Überprüfung der berechneten Standortwerte mit den tatsächlichen Standorten war mittels der genau eingemessenen Bojen und Landmarken entlang des Ufers jederzeit möglich.

Für unsere Versuchsreihe mieteten wir das Motorschiff „Schaumburg-Lippe", das normalerweise, vollbesetzt mit 75 Personen, zur Insel Wilhelmstein (auf der Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe während des Siebenjährigen Krieges eine Zitadelle erbaut hatte, die noch heute steht) oder zum Weißen Berg fährt. Neben dem eigentlichen Testgerät waren jeden Morgen ein 220 V-Aggregat, Benzinkanister, verschiedene Meßinstrumente usw. an Bord zu bringen. Auch eine Schreibmaschine (Teletype) war dabei, mit der einerseits die vom Satelliten empfangenen Daten zu Kontrollzwecken ausgedruckt wurden und die andererseits einen Lochstreifen erzeugte, der eine Nachberechnung der Positionswerte auf der Rechenanlage im Labor Eupener Straße ermöglichte.

Das Ganze auf eine Schubkarre zu laden und in drei Gängen morgens und abends über den Anlagesteg an und von Bord zu bringen, war bald Routine. Gegen 9.00 Uhr legten wir meistens zur ersten „Rundfahrt" in Richtung Feste Wilhelmstein ab.

B. Gerlach wartet auf den Ausdruck der Satellitendaten

Unsere Leser wissen aus früheren Beiträgen, daß zur Zeit fünf Satelliten des „Navy Navigation Satellite System" in polaren Bahnen unsere Erde in etwa 1000 km Höhe mit einer Umlaufzeit von ca. 100 Minuten umkreisen. Aus den auf zwei Trägerfrequenzen gesendeten Satelliten-Bahndaten und den aus der Relativbewegung zum Schiff resultierenden Dopplerfrequenzen läßt sich der Standort des Schiffes bei stationärem Betrieb mit einem Einkanalempfänger im Mittel auf etwa 100 m genau berechnen. Im mobilen Betrieb ist die Genauigkeit der Positionsberechnung wesentlich abhängig von Kurs- und Geschwindigkeits-Meßfehlern.

Die starke Reduktion dieser Einflüsse auf die Standortbestimmung ließ sich bei dem neu entwickelten Verfahren erreichen durch die Einbeziehung der Geschwindigkeitskomponenten in den Schätzprozeß und durch die Tatsache, daß von der sonst üblichen Berechnung der Korrekturwerte für die geografische Lange und Breite nach der Methode der kleinsten Quadrate abgegangen wurde.

In einer Reihe von Simulationen mit Rohdatendsätzen unserer integrierten Navigationsanlage „INDAS IV" waren die Vorteile unseres neuen Verfahrens bereits deutlich geworden: Bei einem Geschwindigkeits-Meßfehler von einem Knoten in Richtung Nord, der sonst zu einem mittleren Standortfehler von 400 m führte, berechnete das neue Verfahren den Schiffsstandort auf 200 m genau. Bei noch größeren Fahrgeschwindigkeitsfehlern ließen sich sogar Verbesserungen bis zu 80% erreichen.



Der Prototyp des PILOT

Bei unseren Fahrten auf dem Steinhuder Meer ging es nun darum, diese im Labor erhaltenen Ergebnisse unter realen Bedingungen zu bestätigen. Um es kurz zu sagen: der PILOT erfüllte alle in ihn gesetzten Erwartungen, und damit wurde grünes Licht für den Bau der ersten Vorserie gegeben. Auf der Messe „Schiff, Maschine, Meerestechnik" in Hamburg wurde unser PILOT erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt.

Zurückblickend auf die Testfahrten im Hochsommer Monat Juli müssen wir feststellen, daß sie kein reines Vergnügen waren. So richtig warmes und sonniges Wetter, wie man es sich für eine Rundfahrt auf dem Steinhuder Meer wünscht, hatten wir in der ganzen Woche nur ein einziges Mal, und sogar an diesem Tag war es ohne Rollkragenpullover und Anorak nicht auszuhalten. An einem Tag regnete es so stark, daß trotz heruntergelassener Fensterrollos die Schreibmaschine naß wurde und für diesen Tag ihre Mitarbeit einstellte. Aber was soll's, Satellitennavigation funktioniert ja bei jedem Wetter.

B. Gerlach, H. Inderthal